Für das Tharangambadi-Stipendium der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt habe ich in intensiven Recherchen mich mit den Halleschen Berichte aus dem 18. Jahrhundert in der Franckeschen Stiftungen beschäftigt. In diesen wurden das Alltagsleben, die Kleidung, die Ernährung und die religiösen Bräuche der Menschen in Tranquebar detailliert beschrieben. In meiner Vorstellung entwickelte sich ein buntes Panorama der damaligen Verhältnisse und der Wunsch, einmal selbst nach Tharangambadi zu reisen und nach mehr als 300 Jahren auf Spurensuche zu gehen.
Ausgehend von den einstigen Orten der Mission möchte ich, wie Bartholomäus Ziegenbalg den Dialog mit den dort lebenden Menschen suchen. Meine Gespräche und Beobachtungen sollen direkt vor Ort in individuellen Zeichnungen und in Tagebuch-berichten dokumentiert werden. In einem permanenten Wechselspiel zwischen meinen täglichen Erlebnissen und den Halleschen Berichten suche ich nach einem zeitgeschichtlichen Dialog. Im Spannungsfeld dieses Dialogs zwischen Ziegenbalg, mir und den Einwohnern Tharangambadis suche ich nach Beschreibungen über die eigene Wahrnehmung und deren Transformation über die Jahrhunderte hinweg in die heutige Zeit. Welche Relevanz und Aktualität hat Ziegenbalgs Werk und die Hallesche Mission heute in Tharangambadi? Wie blicken die Einwohner auf Ihr Leben, welche Träume und Wünsche haben Sie?
Meine Absicht ist es, diesen mehrwöchige Prozess des Umherschweifens und der Begegnungen mit den Einwohnern in einem Arbeitstagebuch zu dokumentieren und alle parallel entstandenen Zeichnungen, wie Porträts von Einwohnern, Stillleben, Grundrissen von Gebäuden oder botanische Zeichnungen und anderen zu sammeln. Aus diesem Material möchte ich eine Installation entwickeln und diese, nach Absprache mit den Verantwortlichen des Ziegenbalghauses, temporär in eine Dauerausstellung integrieren. Während meines Aufenthaltes in Tharangambadi plane gleichfalls einen Workshop mit dem Titel 100 Postcards for Halle für Kinder und Jugendliche durchzuführen.
Ähnlich wie bei der Anfertigung der Halleschen Berichte im 18. Jahrhundert werden nach meiner Rückkehr alle Tagebuchaufzeichnungen gesichtet und gegebenenfalls redaktionell für die Veröffentlichung verarbeitet. Als Tharangambadi Reports werden meine Zeichnungen und Tagebuchtexte in einer Collage mit ausgewählten Briefen, Berichten und Kupferstichen aus den Halleschen Berichten in einem Künstlerbuch vereint. Dieses soll in einer limitierten Auflage, als inoffizielle Continuation Nr. 109 der Halleschen Berichte, wenn möglich in der Buchhandlung des Halleschen Waisenhauses, veröffentlicht und präsentiert werden.