Jetset am Sandstrand

Ich hatte mich anfänglich ja verweigert. Was will ich in Goa? Vom Hören-Sagen hatte ich ein eingefleischtes Vorurteil: jungsches Partyvolk auf Tritt und Schritt, an allen Ecken hängengebliebene Althippies auf astraler Sinnsuche, Magic Mushrooms (aus dem Alter bin ich auch raus) …. Aber Thomas hat darauf bestanden: Genug mit Kultur. Er will jetzt Strand. Aber gerne doch mein Schatz, flöt, flöt, flöt, nun also Strand.

Goa ist für mich nun das Pradadebeispiel dafür, wie Menschen aneinander vorbeireden und sich falsche Vorstellungen aus den Erzählungen anderer machen können.

Gokarna

Wir sind also die Westküste hochgetingelt. Unser erster Tipp diverser indischer Freunde hieß Gokarna, übrigens noch im Bundesstaat Karnataka gelegen. Ruhig, entspannt, leer, stressfrei etc. und überhaupt viel besser als Goa. Gokarna Beach, ein paar Hotelresorts an einem langgestreckten Sandstrand, war auch relativ ruhig was die Anzahl der Touristen betraf. Weniger ruhig waren die Bars der Resorts, denn kaum hatte man sich hingepflanzt, musste auch schon jemand die (Über)Schallanlage bedienen, Musikstil Radio Jump und immer schön laut. Ich werde wohl alt. Abends flüchten wir in eine kleine indische Bar, Küche heute kalt, es gibt: Tee oder Bier – Ende der Durchsage. Aber hier läuft in erträglicher Lautstärke Indisch-Bollywood im Wechsel mit Sixtees Hippiekram. Viel erträglicher für meine Ohren. Mach doch gleich mal lauter den Donovan! In der Bar geben uns ein paar Inder Einschätzungen zu unseren nächsten Reisezielen. Palolem Beach: Super! Agonda: langweilig. Aber so recht beschaulich finde ich es in Gokarna nicht. Eine aus dem letzten Jahrtausend hängengebliebene Junkibraut schleicht ums Gelände und am Strand finde ich Spritzen. Eihjei, bedient genau mein Vorurteil.

Palolem Beach

Wir setzen also weiter vor nach Palolem Beach, ca. 40 Km nordwärts. P-A-L-O-L-E-M klingt genauso verheißungsvoll wie es tatsächlich auch aussieht. Eine blödsinnig idyllisch gelegene Bucht, gelber Sand unter Kokospalmen, ein paar dekorativ ins Wasser eingestreute Felsen nebst einer postkartenmäßig in der kleinen Bucht platzierten Insel, türkisgrünes Wasser mit 29,5 Grad Badewannentemperatur (ohje und ich habe meinen deutschen Winterbadeanzug Modell „Spitzbergen“ dabei), passabler Wellengang, niedliche kleine Strandbungalows auf Stelzen säumen das Badeparadies. Zu 100 % wie man sich den Bilderbuchurlaub aus dem Reisebürokatalog vorstellt. Ich werfe sofort alle meine Vorbehalte gegenüber Touristenhotspots über Bord – Scheiß egal! Hier kann man den ganzen Tag auf´s Meer glotzen, wenn man nicht gerade darin herumplanscht. Tollllllllllll……..

Ein Finne besäuft sich schon mittags wegen kosmischem Ereignis höherer Art: Beim Stand-up-Paddeln hat ihn ein Delfin begleitet. Verzückte Bleichgesichter machen freiwillig Frühsport am Strand, hier sagt man Yoga dazu. Und „Animateur“ heißt auf indisch wohl Guru (oder vielleicht heißt es auch nur „Sportgruppenleiter“).

Unsere Bleibe liegt etwas rückwärtig nicht direkt am Wasser, was aber nicht stört, da man so auch der musikalischen Beschallung entkommt. Abends am Strand bei Kerzenschein kann man nämlich die pluralistische Theorie der Gleichzeitigkeit diverser Wirklichkeiten von jedem Standpunkt (bzw. Sitzplatz) aus erfahren. Das musikalische Angebot ist breit gefächert, für jeden Geschmack was dabei, nur haben sich die Bars nicht abgesprochen, wer seine Musik wann am lautesten aufdrehen darf. Potpourri erhält hier eine erweiterte Bedeutung.

Ein kleines Haar gibt es aber schon in der Suppe. Ich bekritel ein bisschen die Kost, welche sehr auf die 99% westlichen Touristen abgestellt ist, also überhaupt nicht scharf. Und das rächt sich auch umgehend. Ich möchte hier nicht weiter in die plastischen Beschreibungen eines Hypochonders auf Reisen einsteigen. Mein Fazit ist jedoch, dass die vielleicht weniger vertrauenswürdig erscheinenden Straßenküchen der vorherigen Wochen keinerlei Probleme dieser Art verursacht haben.

Bob Ross macht hier übrigens auch Urlaub. Auf unserem Weg zum Strand queren wir jeden Tag das Art-Resort. Hier kann man unter fachkundiger Begleitung seiner Kreativität freien Lauf lassen, malen, töpfern, basteln. Selbst Makramee wird hier vor dem Aussterben bewahrt bis zu dessen Anerkennung als immateriellem Weltkulturerbe. Und wenn das eigene Talent nicht reicht, kann man sich was Schönes für die heimische Kunstsammlung kaufen. Ich krieg‘ hier „so meine Momente“.

Bisher haben wir immer geschwankt zwischen Vorbuchen von Hotels oder nicht. Mal waren die vorgebuchten Hotels vor Ort billiger als im Netz, und dann wieder andersherum, nicht vorgebucht und die Leute wollten plötzlich viel mehr Geld. Wie man´s macht, macht man’s falsch. Im Gro entscheiden wir uns gegen Vorbuchen. Denn manchmal sehen die Zimmer im Netz spitze aus, aber in Wirklichkeit möchte man dann doch nicht dort wohnen. Fast schon sprichwörtlich geworden, um nicht zu sagen „legendär“, ist das Hotel „Mirage“ (Fata Morgana) zu Beginn in Pondi – die wohl runtergekommenste Hütte, die wir in Pondi je bezogen haben (und dafür noch nicht mal besonders billig). Aber Agonda hatten wir nun mal vorgebucht: 1 Woche Superschnäppchenpreis direkt mit Bungalow am Strand, und so verlassen wir PAAAAALLLLOOOOLEMMMM BEACH etwas schweren Herzens. Wer weiß, was uns am nächsten Strand erwartet?

Agonda

„Langweilig“ wie unsere indischen Kurzzeitfreunde meinten. Wenn das langweilig ist, will ich jetzt immer langweilig. Sicher, die Bucht ist nicht ganz so Bilderbuch aber durchaus schön. Es ist mäßig voll („Ende der Saison“ mein neues Lieblingswort) mit vielen indischen Touristen. Das heißt auch, das Essen ist wieder knallheiß und auf die einheimische Weise scharf. Und man darf einfach dem einlullenden Sound der Wellen zuhören, weil sich niemand bemüßigt fühlt, einen mit guter Laune Musik zu beglücken.

Da nicht ganz so geschützt gelegen wie PAAAALLLOOOOOLLLEMMMM BEACH ist das Wasser zwar genauso unglaublich warm, aber die Wellen sind nicht ganz ohne. Überhaupt schon ganz schön viel Abenteuer für mich: im Ozean schwimmen, ohne Chlor, ohne Kacheln und die Beckenränder sind auch recht weit gefasst. Aber ich konnte nichts ergooglen über Haie oder Würfelquallen, noch nicht mal im Werbeprospekt für touristisches Hochseeangeln. Da versuche ich einfach meine überschäumende Phantasie bezüglich Seeungeheuern zu zügeln, plansch, plansch.

Hier haben wir uns nun derart entschleunigt, dass wir die nächsten Reiseziele schlicht canceln. Freundlicher Weise bekommen wir auf die zweite Woche noch Rabatt zum Superschnäppchenpreis …

Einfach mal stulle Badeurlaub am Meer. Thomas liest quatschige Abenteuerromane, die hier wer vergessen hat, und ich, …..achja, da war doch noch was…. Ich hatte meinen Laptop nicht ganz umsonst 1.500 Kilometer weit mitgeschleppt. Denn ich fülle die örtliche Idylle auf mit (geplanter) Online-Arbeit, die für Deutschland von hier aus noch zu erledigen ist. So richtig Jetset am Sandstrand. Arbeiten, wo andere Urlaub machen.

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