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Mit Jasmin Eppert mache ich einen Ausflug in die Stadt Thirukkadaiyur, um dort den bedeutenden Sri Amirthagateswarar Abhirami Tempel zu besuchen.
Bevor wir das Stadttor von Tharangambadi erreichen, laufen wir an der Zionskirche und an der Neu Jerusalemskirche vorbei. Ohne uns Aufmerksamkeit zu schenken, begegnen uns unterwegs Ziegen, Kühe und Hunde.
Am Ortsausgang von Tharangambadi befindet sich die geschäftige Marktstraße. Hier bieten die verschiedensten Händler, wie auf einer Perlenkette aufgereiht, ihre Waren und Dienstleistungen an. Das bunte Treiben wird durch das laute Hupen der Fahrzeuge, die sich über die mit Schlaglöchern durchfurchte Straße winden, begleitet. In Windeseile organisiert Jasmin eine preisgünstige Rikscha. Mit dem dreirädrigen Gefährt fahren wir im rasenden Tempo in
weniger als zehn Minuten nach Thirukkadaiyur.
Jasmin erklärt mir während der Fahrt, dass der Sri Amirthagateswarar Abhirami
Tempel eine besondere Bedeutung hat. Basierend auf einer Legende wird angenommen, dass ein Besuch im Tempel verheirateten Paaren oder ein Besuch zum sechzigsten, siebzigsten oder zum achtzigsten Geburtstag des Mannes eine lange Lebenszeit beschert. So finden sich täglich dutzende von Familien ein, um diesen besonderen Hochzeitstag mit einem hinduistischen Gottesdienst zu zelebrieren.
Barfuß durchlaufe ich das mit bunt bemalten Götterfiguren geschmückte Haupteingangstor des Tempels und betrachte die am Wegesrand sitzenden Händler, welche Opfergaben „to go“ sowie buntes Plastikspielzeug anbieten. Dazwischen sitzen Bettlerinnen, die mit leeren Aluminiumschüsseln in der ausgestreckten Hand um Almosen bitten.
Ich laufe erneut durch ein noch größeres Tor und betrete einen neuen Bereich des Tempels, der aus langen Säulengängen besteht. Überwältigt von der Farbigkeit der Ornamente und der Architektur, in Kombination mit der Lautstärke vieler Trommeln und Blasinstrumente
verspüre ich großes Interesse, hier zu zeichnen. Einer Familienprozession folgend, gehe ich durch ein drittes Tor und betrete mit ihnen einen großen Innenhof. Im prächtigen Gewand
stehen hier nebeneinander ein großer Elefant und eine Kuh. Die Familienprozession wirft den beiden Tieren zahlreiche Opfergaben zu.
Jetzt betrete ich eine große Halle mit einem monumentalen Säulengang in der Mitte.
An beiden Wandseiten entdecke ich viele kleine bunte Schreine mit Feuerstellen. In unterschiedlicher Anzahl sitzen Großfamilien davor. Priester leiten die Zeremonie, welche von ringsum stehenden Musikern, Fotografen und Kameramännern begleitet wird. Intensiv riecht es nach verbranntem Holz, Weihrauch und anderen Harzen. Alle meine Sinne werden gleichzeitig überflutet. Ich setze mich spontan auf den Boden und beginne, bunte Fragmente der umgebenden Schreine abzuzeichnen. Wie in Trance tauche ich, Fragment für Fragment, in diese Atmosphäre ein. Zeitweise stehen Personen, die mich beobachten und befragen, neben mir. Als ich die fertige Zeichnung präsentiere, wird sie mir aus der Hand gerissen und staunend in der Gruppe herumgereicht. Zerknittert erhalte ich sie zurück.
Auf der Rückfahrt beschließe ich, den Tempel erneut zu besuchen und mehrere großformatige Zeichnungen anzufertigen.