Das letzte große Abenteuer in Thrangambadi lautete, 2 Pakete Kunst nach Deutschland zurück senden per Post. Vorab gibt es dazu zwei Dinge zu erklären.
Zum einen: Indien macht oft einen sehr bürokratischen Eindruck, so als ginge alles einen rechtlich vorgeschriebenen, ergo regelgeleiteten und damit strukturierten Weg. Dieser dauert allerdings undurchsichtig lange, es muss viel Papierkrieg erledigt werden. Alles was am besten mehrfach gestempelt und gegengeprüft werden kann, macht einem guten, wichtigen Eindruck und verschafft allen Beteiligten eine ordnungsgemäße Aufgabe und persönliche Wichtigkeit. Auch jenseits meiner Sprachbarriere wird damit alles oft so kompliziert, dass ganz allgemein viel telefoniert werden muss. Ich glaube, es gibt kein zweites Land auf der Welt, wo die Leute so viel telefonieren. Alle hängen quasi durchgehend am Phone und organisieren irgendwas rum, halten Rücksprache, fragen irgendwo nochmal nach… Und wenn man unter irgendeiner Begründung weggeschickt wird, um bitte morgen wiederzukommen, ist das meist kein gutes Zeichen. Ich habe den Eindruck, die andere Person hofft einfach, man löse seine Probleme woanders und käme gar nicht mehr. Pläne sind in der Regel dazu da, verworfen zu werden, aber nicht ohne sie zuvor ausführlich erörtert zu haben. Das heißt planen, umplanen und dann das machen, was sich ergibt. Wenn man jedoch beharrlich bleibt (und sei es nur Begriffsstutzigkeit wie in meinem Fall), gibt es am Ende eine überraschende Wendung in Form einer aus meiner Sicht total schlampigen Lösung jenseits aller Vorschriften. Die „funktioniert“ dann zumindest insofern „ergebnisorientiert“, dass man einen langwierigen Prozess irgendwie zu einem Abschluss bringt.
Andererseits muss man die Vorgeschichte kennen, wie die Kunst überhaupt den Hinweg von Deutschland nach Indien gefunden hat, um eine Vorstellung zu bekommen, was ich auf der indischen Post durchlebt habe. Also ganz im Stil des indischen Films erstmal eine halbe Stunde Rückblende:
2 Pakete reisen von Deutschland nach Indien
Anfang Dezember 2023 habe ich die Kunst in 2 Paketen nach Indien versendet inklusive von einigem Montagematerial, Bilderhaken etc. Jedes Paket 120 cm x 60 cm x 20 cm, einmal 11 kg, einmal 16 kg. Mehrere Wochen befasse ich mich mit Zollfragen und den entsprechenden Papieren. Lange kreist meine Aufmerksamkeit um die Frage, ob ich eine Ausfuhranmeldung brauche und wenn ja, wie ich die zu Wege bringe. Ich sage nur 27 B – 6, falls ihr wisst, was ich meine. Die deutsche Post verlangt pro Paket eine Zollinhaltserklärung Formular CN23 in einfacher Ausführung und dann noch eine Proforma-Rechnung in doppelter Ausführung. Das Online-System von DHL für das CN23 ist etwas idiotisch und erst beim 7. Versuch für Paket 1, schaffe ich es, dass Zeitfenster für´s Ausfüllen einzuhalten – wenn man zu lange braucht, bricht das System nämlich ab und man beginnt von vorne. Jedes kleine Scheißteil im Paket muss genau ausgewogen werden und einen Wert zugewiesen bekommen und so fort. Eine sehr aufwendige Geschichte in diesem Fall mit diversen Angaben insbesondere auf dem Schriftstück Proforma-Rechnung in Zollfachchinesisch, deutsch-englisch natürlich. Alle Papiere müssen dann außen am Paket in einer transparenten Begleittasche mit dem jeweiligen Paket reisen. Ich habe mich akribisch darum bemüht, dass alles zu verstehen und dabei schon gemerkt, dass das größte Problem darin besteht, das es sich nicht um klassische Handelsware handelt, sondern (vorerst) um unverkäufliche Ausstellungsstücke für eine nicht-kommerzielle Ausstellung. Mehrfach telefoniere ich im Kreis: Zoll, Handelskammer, Internationale Gesellschaft für bildende Kunst, Kundenservice deutsche Post – jeder erklärt mir was anderes. „Schnucki Consultings, Import-Export-International – weltweit und darüber hinaus“ in vollem Einsatz. Soweit, so gut.
Ich war sehr beeindruckt vom DHL Tracking System und konnte meinen beiden Paketen also quasi fast live zugucken, wie sie ihre lange Reise absolvierten. Die durchschnittliche Zustelldauer betrug laut DHL 12 bis 22 Tage. Ich hatte rund 50 Tage eingeplant, nach gut einer Woche war die Kunst in Indien gelandet. Und dann gingen die Probleme los mit dem indischen Zoll. Der Zoll wollte von Dr. Manuel aus dem Ziegenbalg House Museum genau die Papiere haben, die eigentlich mit den Paketen reisen sollten. Viel Hin und Her, erst waren die Papier weg, dann waren es angeblich nicht die richtigen Papiere….. Am Ende haben viele involvierte Personen Zeit und Nerven gelassen. Ein besonderer Dank an dieser Stelle nochmals an Frau Küchler, die deutsche Konsulin in Chennai, mit deren Hilfe die Pakete endlich aus dem Zoll losgeeist wurden. So kamen sie gerade rechtzeitig an für die Ausstellung. – Ende der Rückblende –
2 Pakete reisen (vielleicht) von Indien nach Deutschland
Dr. Manuel hatte nun etwas Bammel vor der Rücksendung wegen dem ganzen Ärger mit dem indischen Zoll und bat mich, die Dinger doch selbst auf den Rückweg zu bringen. Nun fühlte ich mich wiederum ganz gewappnet, die Pakete Kraft meiner Wassersuppe selbst zu verschiffen. Ein besonderer Trip in der Rubrik Selbsterfahrung. Es gibt diese Momente, wo man sich selbst dabei zugucken kann, wie deutsch man gepolt ist.
Voller Stolz habe ich die beiden Proforma-Rechnungen für den Rücktransport erarbeitet, mit kurzem Anschreiben, allem nötigen Fachchinesisch wie HS Tarif Code Nummern, Wiedereinfuhr etc …. Und vorsorglich hatte ich noch eine deutsch-englische Vorlage für ein CN23 im Gepäck, dass ich schon mal vorausgefüllt habe.
Am Mittwoch Nachmittag stand ich beim Post Office in Tharangambadi vor verschlossener Tür, Öffnungszeiten 9.30 bis 14 Uhr. Am Donnerstag bin ich mit einem Zettelchen, das alle notwendigen Angaben für Auslandssendungen enthielt, erneut zur Poststation in Tharangambadi gedackelt und hatte vorsorglich schon meinen ganzen Papierkrieg dabei. Ich wollte vorab die Größe der Pakete besprechen, ob ich irgendwas ggf. online machen kann. Ja, sagte der Postbeamte, das CN23 füllt ER online aus, wenn ich die Pakete bringe. Was die 2 Pakete wohl kosten würden, frage ich, Gewicht, Größe und Warenwert auf meinem Zettel notiert, den ich dem Postbeamten unter die Nase halte. Nein, dass kann er mir erst sagen, wenn er die Pakete sieht.
Mir war schon klar, dass ich etwas mehr Bargeld brauche, um die Sendung zu bezahlen, aber der Geldautomat in Tharangambadi wollte am Donnerstag kein Geld ausspucken. Am Freitag früh übrigens auch nicht. So führte kein Weg daran vorbei, nach Karaikal zu fahren. Um 10 Uhr kam ein Fahrer mit einem richtigen Auto. Wie praktisch, dann fahren wir die Pakete doch gleich zur Poststation Tharangambadi. Die Dinger gingen so mit Ach und Krach in die Karre. In der Post bekommt der Postbeamte Zustände. So große Pakete können sie nicht versenden. Online kann man gar nichts buchen und Abholservice gibt es sowieso nicht. Vielleicht werde ich die Pakete in Karaikal los, sonst in Mayiladuthurai, sein Tip. Na schönen Dank, das wollte ich doch alles am Vortag rausfinden, bevor ich die 2 Pakte hier her schleppe! Also alles wieder ins Auto geknärt und ab nach Karaikal.
In der Hauptpost in Karaikal ist man nicht geschockt und nimmt sich gleich meiner an. Wohin? Germany. Ein Mitarbeiter drückt mir umgehend 2 Zettel in die Hand. Ahhhhhh, die indische Version des CN23, sogar mit einem absolut identischen Layout. Ich zücke meine deutsche Vorlage und übertrage alles handschriftlich in Minischrift mit dem Kugelschreiber. Derweilen schlage ich Thomas vor, mit dem Fahrer ein Lemon Soda trinken zu gehen, dass dauert jetzt sicher ein bisschen. Nach etwa 40 Minuten bin ich fertig mit den 2 Zollpapieren. In der Post ist es übrigens sehr voll, obwohl ich nicht verstehe, wer wo ansteht. Ich komme zu dem Schluss, „dran“ ist einfach der, der sich am besten an irgendeinen Schalter drängelt. Und die Personen, die eben noch zuständig waren, sind dann irgendwie immer weg, also beschäftigt man die oder den Nächsten mit seinem Anliegen. Dann gibt es auch schon das erste Problem. Ich hätte die Werte der einzelnen Inhalte nicht in Euro angegeben sollen sondern in Rupien. Dumm gelaufen, oh nee, jetzt alles nochmal ausfüllen? Ein weiterer netter Postbeamte erscheint: „Also die Felder hier und die da und das und das und das auch noch… beim zweiten Mal bitte alles nicht ausfüllen.“ OK, also alles, worauf der deutsche Zoll wert legt ? Aber was argumentier´ ich hier rum, gibt ja noch die Pro-Forma-Rechnungen als Begleitscheine, die alles enthalten, was der deutsche Zoll wissen will. Doch dann kommt es zu weit größeren Komplikationen. Ich hielt es für das Einfachste, die Pakete von mir als Absender (Adresse Gast im Ziegenbalg House Museum) an mich zu Hause in Deutschland zu schicken. Und das geht nicht, da ich zwingend ein indisches Meldepapier mit bestätigter Adresse in Indien benötige, von dem eine Kopie gezogen wird für die Paketbuchung. Oder kurz: Ich kann als Ausländer gar kein Paket versenden. Is´ ja irre, wer kommt auf sowas? Der erste Versuch besteht darin, Dr. Manuel zu erreichen, aber es ist gar kein Mitarbeiter im Ziegenbalg House ans Telefon zu kriegen.
Jetzt die indische Lösung des Problems:
Der netten Postbeamte vom Anfang ist wieder da. Er bietet an, seine Adresse als Absender zu verwenden, jedoch mit unserer indischen Telefonnummer (dass das mit unserer indischen Telefonnummer in 7 Tagen erledigt ist, verschweige ich ihm). Ein anderer Mitarbeiter füllt die beiden CN23 nun aus. Er nimmt einige „Vereinfachungen“ darin vor, dass heißt, er lässt tatsächlich alles weg, was aus meiner deutschen Sicht wichtig gewesen wäre. Mal abgesehen vom Inhalt, so werden aus Pictures hooks (Bilderhaken) Picture books (Bilderbücher) und überhaupt viel zu lang die Liste des Inhalts, kann man kürzen und den Rest lässt er weg. Am Ende erfindet er noch pro Paket einen indischen Gesamtwert in Rupien, einmal 9.000 und einmal 8.000 Rupien, was sich mit dem deutschen Wert natürlich nicht im Geringsten deckt. „Das ist genug“, meint er. Immerhin bekomme ich eine Kopie von den CN23 und eine Quittung. Ich fotografiere die beiden Pakete. Nach etwa 2 Stunden sind wir dann endlich fertig. Die 2 Proforma-Rechnungen darf ich einpacken, die will hier keiner, viel zu kompliziert. „Hier die 2 Sendetaschen für Begleitdokumente machen wir (= die Postler) auch gleich mal ab“. Auf dem Rückweg wird mir klar, dass ich gar nicht nach der Sendungsnummer gefragt habe. Vielleicht identifiziere ich noch irgendwas auf der Quittung als Tracking ID.
Dr. Manuel sagt, er habe in der Zwischenzeit gebetet für mich, die Pakete und ein gutes Gelingen. Ich auch. Zuerst einmal bete ich dafür, dass die Pakete Indien überhaupt verlassen. Sonst hat ein gewisser Herr R. Mohan aus Kottucherry demnächst eine neue Wohnungsdekoration. Und dann weiß ich überhaupt nicht, wie ich das alles dem deutschen Zoll erklären soll. Dabei war ich doch so verdammt krümelkackerig genau, super deutsch gut vorbereitet!