In der Zwischenzeit hat sich in Tharangambadi wieder einiges getan. Es gibt, frei übersetzt, mehrere neue „Futterstellen“. An der Strandpromenade gibt es endlich Gobi ’65: ein in irgendeiner roten Gewürzmischung frittierter Blumenkohl. Ein echter Zugewinn aus meiner Perspektive! In der „Hauptstraße“, quasi der Einkaufsmeile des Dorfes, hat ein Stand aufgemacht, der grob zerhacktes Hühnchen in ähnlicher Frittierweise verkauft – was für Thomas. Weil ich echt kein Biriyani mehr sehen kann, haben wir mittags kurzerhand beschlossen, das nigelnagelneue Fischrestaurant zu besuchen, wo wir schon mal davor standen. Dazu muss ich sagen, dass „Restaurant“ hier nicht ganz das ist, was man sich in Deutschland darunter vorstellt. Immerhin, man kann sich an einen Tisch setzen und wird bedient. Man braucht jedoch ein gewisses Gottvertrauen, wenn es um Fisch geht. Todesmutig sprach ich zu Thomas: „Es ist erst Mittag, der Fisch vom Hafen kann also erst ein paar Stunden alt sein. Und zudem können es sich die Leute hier im Dorf nicht leisten mit so einem neuen Schuppen ihre Mitdörfler zu vergiften.“ Also rein da. Enkel hat bedient, Oma hat abkassiert. Ich vermute, Mutti hat gekocht. Es gab Fisch-Talli. „Talli“ heißt im Wesentlichen Mittagessen und hat überall ein ähnliches Prinzip, egal ob vegetarisch, mit Fleisch oder eben mit Fisch: Auf einem Bananenblatt gibt es ein halbe Tonne Reis und dann mehrere kleine Beilagen und Soßen. In diesem Fall eine Art indischen Bohnensalat, ein Chutney aus sauren Beeren, wie immer irgendwas mit Linsen, zwei frittierte Heringe und Soße mit gekochten Sardinien – Thomas und ich konnten uns nicht einigen, ob es nun Hering oder Sardinen waren. In der ortsansässigen Darreichungsform würde das deutsche Hygieneamt sofort durchdrehen und ich glaube, ein indisches Restaurant in Deutschland bekäme es auch unter größter Beteuerung absoluter Authentizität schwer an den Mann oder die Frau….
Am Abend habe ich dann fürchterlich gereihert, aber da es Thomas bombig ging, war es womöglich nicht der Fisch, sondern mal wieder ein Sonnenstich.
Nach dem ich einem Tag Diät aus Bananen und Kohlentabletten eingelegt hatte, waren wir am Folgeabend im neuen Restaurant an der Ortseingangsstraße. Dazu muss ich noch unbedingt erwähnen, dass wir uns im Prinzip so gut wie gar nicht mit den Leuten hier vor Ort verständigen können. Wir erfragen Gerichte, die wir kennen. Die gibt es nicht. Aus den uns gemachten Gegenvorschlägen werden wir nur mäßig schlau. Am Ende stellt man uns irgendwas vor die Nase. Einen Teil erkennen wir wieder, vom Rest versuchen wir dazuzulernen. Diesmal gab es Chapati, Dosa, Kichererbsencurry, irgendwas mit Linsen, Kokosnuss Chutney und irgendein scharfes Zeug, was meiner Meinung nach verdammt nach Papaya aussah und auch so schmeckte. Ich revidiere meine Meinung über Papaya – in dieser scharfen Version durchaus in Ordnung.
Man kann in Indien auch wirklich nicht verhungern, selbst für kleines Geld. Zwei Mittagessen zusammen 200 Rupien, das sind nach tagesaktuellem Kurs 1,10 Euro pro Nase. Und dafür kriegt man im übrigen auch noch ohne Ende Nachschlag, wenn man will. Vor allem Reis. Mir ist unklar, wo die Leute diese Unmengen Reis hinfuttern. Außerhalb von Tharangambadi ist die Preisskala für Essen natürlich nach oben offen, wenn man will. Allerdings gibt es in der Regel soviel zu Essen, daß Thomas und ich uns geeinigt haben, nur ein Gericht zu bestellen, weil man damit oft 2 bis 3 Leute satt kriegen würde. Und da geht es nicht ums Sparen, ich mag halt kein Essen wegwerfen. Umgedreht denken die Leute hier aber scheinbar, wir würden irgendeine komische Diät machen. Das sind wohl die kleinen interkulturellen Unterschiede. Während man bei uns als guter Gast sein Tellerchen ratzeputze leer futtert, ist man wohl hier ein guter Gastgeber, wenn viel übrig bleibt, sonst gilt man womöglich als knauserig. Die südindische Version von „Wie geht’s?“ heißt übrigens „Hast Du schon gegessen?“. Das musste ich erst mal begreifen. Man tut den Leuten einen Gefallen, wenn man dann einfach antwortet mit „Ja, ich hatte schon Frühstück/ Mittag/ Abendbrot“, so wie man bei uns auch behauptet, es ginge einem gut, statt all seine tagesaktuellen Mimosen mitzuteilen…
Noch ein kurzer Abstecher zum süd indischen Frühstück. Kein Haushalt kommt hier aus ohne Dosas oder Idlis und in den Hotels kriegt man meistens beides. Der Grundteig ist der gleiche, wobei die Anleitung doch sehr variiert je nach Köchin, wie der Teig hergestellt wird. Im Wesentlichen werden weiße Linsen und Reis getrennt gekocht, zusammengeschüttet und wenigstens eine Nacht fermentiert. Daraus entstehen dann zwei grundverschiedene Dinge. Idli habe ich bei meiner ersten Reise 2019 echt gehasst. In der Konsistenz vielleicht noch vergleichbar mit Hefeklößen, aber vollkommen salzfrei und auch nicht süß. Und das obligatorische Kokosnuss Chutney schmeckt hier nicht die Bohne nach Kokos (die Kokosnüsse übrigens auch nicht). Asmas Köchin hat mich jedoch eines besseren belehrt. Es gibt Idli auch in lecker. Ich glaube, Asma konnte sich nicht so anfreunden mit meiner Abänderung einfach Orangenmarmelade drauf zu schmieren…. Das war womöglich ähnlich befremdlich als würde man sich Bockwürstchen über den deutschen Grießbrei raspeln. Aber am besten schmecken Idli, wenn sie Vada heißen und frittiert werden. Das geht aber auch nicht jeden Morgen auf leeren Magen.
Dosas, wie bereits gesagt sind aus dem gleichen Teig, in der Bandbreite ihrer Zubereitungsweisen am besten vergleichbar mit der europäischen Bandbreite von Crepes, Pancakes, Palatschinken, Eierkuchen, Kaiserschmarrn und so fort. Im Grundsatz alles da gleiche, fällt aber völlig verschieden aus. Dosas hauchdünn und total knusprig find ich geil.
Im Großen und Ganzen habe ich mich auf unserer zweiten Reise mit dem südindischen Frühstück ausgesöhnt. Einmal ist mir sogar der süße Brei in essbarer Version über den Weg gelaufen. Aber wo immer sich die Chance bietet, nehme ich doch lieber das nordindische Frühstück, zum Beispiel Aloo Paratha mit Joghurt und Chilipickels, oder, mit besonderen Grüßen an Jule, Puri mit Kartoffelcurry. Und was genau das nun wieder ist, könnt ihr Euch doch selber googeln. Gibt bestimmt einen Haufen Food Blogs, die das ausführlich erklären.