Tagebucheintrag, Dienstag 01.10.2019

Nachtflugverbot! Überrascht und ungeplant verbringe ich die Nacht mit meinen Koffern im Wartebereich des Flughafens Frankfurt. Meine Arme, durch die Haltegriffe meiner Taschen und
Koffer verschränkt, lege ich auf den großen Koffer und darauf mein Kopf, um ein wenig zu entspannen. Reisepass und Brieftasche stecken „sicher“ in meiner Unterhose. Trotz dieser ziemlich unbequemen Haltung schaffe ich es, zu schlafen.
Als ich erwache, stelle ich erschrocken fest, dass es schon kurz vor vier Uhr am Morgen ist. Mit halb geöffneten Augen sehe ich mich um und versuche mein Glück, einen geöffneten Schalter zu finden, an dem ich meine Koffer aufgeben kann.
Im Sicherheitsbereich finde ich eine ruhige Ecke, in der ich noch einmal zwei Stunden schlafen kann. Auf dem Weg dorthin beobachte ich zahlreiche Reisende, die in den „kreativsten“ Positionen, in Ecken, auf Bänken und sogar auf dem Boden die Nacht verbringen.
Am Abfluggate treffe ich bereits auf wartende Fluggäste aus Indien. Schließlich steige ich aufgeregt und übermüdet in das Flugzeug ein. Vor fast 300 Jahren war Bartholomäus Ziegenbalg mehrere Monate mit dem Schiff nach Indien unterwegs. Im Gegensatz zu ihm werde ich in nur acht Stunden in Indien sein. Mir verkürzen kühle Drinks und ein warmes Essen die Flugzeit.
Mitternacht auf dem Flughafen in Chennai. Chennai, vormals Madras, liegt an der Ostküste Südindiens am Golf von Bengalen. Ich laufe einen mir endlosen Gang entlang und suche die Imigrationsbehörde. Im Vorbeigehen erblicke ich zahlreiche kleine Schreine für die unterschiedlichen hinduistischen Gottheiten.
„Sie möchten hier in Indien arbeiten!“, ist die Feststellung des indischen Grenzbeamten, als ich meine Dokumente sowie den Grund für meinen Aufenthalt erläutere. Streng fordert er mich auf, ihn zu begleiten. Kurz angebunden teilt mir der kleine, dicke Mann mit, dass ich erst einmal warten muss, bis alle anderen Passagiere abgefertigt sind. Angespannt überdenke ich meine Lage. Unglücklicherweise besitze ich weder eine Adresse von meiner Unterkunft in Tharangambadi noch einen Kontakt zum Ziegenbalghaus.
Nach endlosem Warten winkt mich der gleiche Beamte mit riesigem Schnauzbart wieder heran. „Sorry, I´m so sorry!“, erkläre ich ihm, um Verständnis bittend, wiederholt meine Lage. „Es gibt keine Ausnahme! Sie benötigen eine Telefonnummer und eine Adresse von einer Kontaktperson in Indien, sonst erhalten Sie kein Visum!“
In letzter Not schalte ich das Roaming auf meinem Smartphone ein und rufe Jasmin Eppert, die Direktorin vom Ziegenbalghaus, an. Glücklicherweise erreiche ich sie und kann nun die geforderten Angaben übermitteln.
„Machen sie Graffiti?“, skeptisch fragt mich der Beamte erneut. Genervt präsentiere
ich einen Katalog mit Zeichnungen, die ich auf Kuba angefertigt habe. Erstaunt durchblättert der Mann die Publikation und rät mir, Workshops mit Kindern in Indien durchzuführen.
Das verstehe ich nicht! Gerade wurde mir noch vorgeworfen, illegal in Indien zu arbeiten!
Nach weiteren Befragungen erhalte ich die Einreisegenehmigung und verlasse den Schalter, aber nicht, ohne meine Fingerabdrücke und mein Passfoto zu hinterlassen.
Obwohl der Alarm vom Metalldetektor ertönt, lassen mich die „schlummernden“ Beamten durch den Sicherheitscheck gehen.
Die Glastür am Ausgang öffnet sich und mich empfängt eine unbeschreibliche Atmosphäre: ein intensiver Cocktail aus Luftfeuchtigkeit, hupenden Fahrzeugen, Abgasen und ein Gewirr von Menschenstimmen. Zum Glück erblicke ich Jasmin Eppert, und meine Anspannung löst sich auf. Wenig später fahren wir in einem klimatisierten Taxi durch den tosenden Verkehr.

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