Tagebucheintrag, Donnerstag 03.10.2019

Am nächsten Morgen erwache ich in Chennai erschöpft aus einem traumlosen Schlaf. Bevor die Fahrt in das 270 Kilometer entfernte Tharangambadi beginnt, bleibt mir nicht viel Zeit. Rasch schiebe ich mir ein paar Datteln und Zwieback in den Mund. Schon ruft Jasmin Eppert: „Komm Stefan, der Fahrer ist da!“
Ein weißer Geländewagen, inklusive korpulentem Fahrer wartet bereits auf uns.
An der Stoßstange baumeln links und rechts schwarze Haarzöpfe. Auf meine Nachfrage erfahre ich, dass diese einst von Frauen geopfert und vom Fahrer in einem Hindutempel gekauft wurden. Sie sollen Fahrer und Auto Glück bringen. Angesichts des mir chaotisch erscheinenden Straßenverkehrs, hoffe ich auf deren Wirkung.
Unter ständigem Hupen verlassen wir Chennai in wilder Fahrt. Die waghalsigen Überholmanöver, teilweise auch in dritter Reihe, und die zahlreichen Eindrücke von Gebäuden, Menschen und Tieren rechts und links der Straße fordern meine ganze Aufmerksamkeit.
Eine Erschütterung und ein dumpfer Knall bremsen plötzlich die schnelle Fahrt unseres Autos. Der Fahrer teilt uns beiläufig mit, dass unser Auto gerade mit einen Hund kollidiert ist. Was für ein Glück, dass wenigstens uns nichts passiert ist und dass der Fahrer die Kontrolle über das Auto behalten hat.
Während einer Kaffeepause am Straßenrand erholen wir uns von dem Schreck. Ich beobachte, wie ein Tee-und Kaffeeverkäufer aus großer Höhe Milch in ein Glas mit Kaffeesud schüttet. Mit Zucker wiederholt er diese Prozedur mehrfach, bis sich eine schaumige Krone bildet.
In den nächsten beiden Stunden fahren wir an kleinen wie auf einer Perlenschnur aufgereihten Dörfern vorbei und erreichen Auroville. Auroville ist das spirituelle Zentrum von Menschen aus der ganzen Welt, die hier in einem Gemeinwesen zusammenleben. Beim europäischen Bäcker kaufen wir Schwarzbrot und in einem Supermarkt weitere Lebensmittel. Beide Läden gehören zum internationalen Dorf Aurovilles.
Im „eiskalt“ heruntergekühlten Auto fahren wir weiter durch den quirligen Verkehr in Richtung Puducherry, einer ehemaligen französischen Enklave. Der nächste Halt ist eine Papiermanufaktur. Nach deren Besuch erfrischen wir uns in der Hitze mit dem Wasser einer Kokosnuss, die wir bei einem Straßenhändler kaufen.
Danach beginnt der zweite Abschnitt unserer Reise nach Tharangambadi. Wieder kämpft sich unser tapferer Fahrer…laut hupend…Kilometer für Kilometer über die immer schmaler werdenden Landstraßen nach Süden durch.
„Bald kommt die Grenze!“, mahnt er uns. Wir verstecken unseren in Puducherry gekauften Alkohol. Den Polizei-Checkpoint des Stadtstaats Puducherry hinein zum Bundesstaat Tamil Nadu passieren wir ohne Kontrolle.
Aus dem Fenster sehe ich Reisfelder, Bananenplantagen und in immer größeren Abständen kleine Dörfer. Auf scheinbar verschlungenen Wegen erreichen wir am frühen Abend Tharangambadi. Wir fahren durch das historische Stadttor, das von den Resten der ehemaligen Stadtmauer umgeben ist.
Während die Sonne untergeht, erreichen wir direkt vor dem goldenen Denkmal von Bartholomäus Ziegenbalg unser Ziel, den Bungalow, der ehemaligen schwedische-lutherische Mission »Church of Sweden Mission«.

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