1.500 Kilometer Bus

Wir haben nun Halbzeit und in der Zwischenzeit 1.500 Kilometer mit dem ordinären Überlandbus zurück gelegt, einmal quer rüber von der Ost- zur Westküste. Zeit mal ein Loblied auf die indischen Busbetriebe zu singen.

Unsere indischen Bekanntschaften haben sich durchweg befleißigt, uns bequemere Reiseoptionen anzuempfehlen, wenigstens den A/C- oder Overnightbus, den Zug, vielleicht doch einen Fahrer. Aber wir fahren konsequent Bus, immer tagsüber mit dem was am Busbahnhof zu haben ist. Kein Vorbuchen, einfach reinspringen und los, Sightseeing inbegriffen, Fahrtwind statt Klimaanlage. Auf diese Weise reist man nahe an der tagtäglich Wirklichkeit mit den ganz normalen Leuten. Es sind alle sehr freundlich und überaus hilfsbereit. Im Bus sehen wir gelegentlich auch die Ladyboys (Aravani), die hier ein ritualisiertes Auftreten haben, um sehr bestimmt nach Geld zu fragen (sagen wir mal besser verlangen). Dann gibt man ihnen was und sie segnen einen mit einem kessen Zwinkern…

Südindien scheint ein einziges großes Infrastrukturprojekt. Überall wo wir langkommen werden Autobahnen durch die Landschaft gemetert. Und kleine Käffer, deren Hauptstraßen in 2019 noch Sandpisten waren, sind jetzt planiert und befestigt. Indien wächst, das ist kaum zu übersehen. Für deutsche Verhältnisse unvorstellbar sind die Straßenzüge halbierter, abgeschnittener Häuser, weil der Platz für die neue Straße gebraucht wird. Wo die Straßen schon fertig sind, kommen wir ungeahnt flott voran. Auf den Schotterpisten der „Baustellen in Betrieb“ umso langsamer. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit bleibt also mehr oder weniger gleich. Unsere indischen Freunde auf Zeit belustigen sich wohl etwas hinter unserem Rücken, dass wir uns das freiwillig antun.

Busfahrplan, Bangalore, Terminal 1

Ob es im eigentlichen Sinne einen Fahrplan gibt, haben wir bis heute nicht rausgefunden mit Ausnahme von Bangalore. Allerdings gibt es dort 5 „Terminals“, jeder so groß wie ein Zentralbusbahnhof in einer kleineren Stadt und mit jeweils 16 Haltestellen – ein Abenteuer für sich. Manchmal haben wir Glück und es gibt englische Beschriftungen, aber in der Regel fragen wir uns durch. Mittlerweile haben wir auch begriffen, dass es eine Auskunft gibt auf nahezu jedem Busbahnhof. Man darf auch nicht denken, dass dabei viel auf Englisch liefe. Wir sprechen radebrechen die Ortsnamen aus, wo wir hin wollen und dann zeigt wer mit dem Finger auf den richtigen Bus. Klappt immer. Kaum ist man eingestiegen, geht’s auch schon los. Naja, fast los. Der Bus hält nämlich bis zum Ausgang des Busbahnhofs noch alle 5 Meter, weil irgendwer zusteigt, und dann nach dem Bahnhof, weil Leute wieder austeigen, die jetzt erst raffen, dass sie im falschen Bus sitzen…. Aber das System funktioniert auch andersherum. Man kann die Busfahrer nämlich auch bitten, irgendwo außerplanmäßig zu stoppen, damit man dort aussteigen kann. Unterwegs treffen wir einen Typen aus Delhi. Der hat sich maßlos aufgeregt über das südindische System der „frei wählbaren Haltestellen“, weil man im ländlichen Raum ggf. zwar im Expressbus sitzt, dieser am Ende aber doch an jeder Milchkanne hält.

Eines schönen Sonntags war der Bus vollgestopft mit fein rausgeputzten Großfamilien. Viele hatten wohl so eine Art Monatskarte oder ggf. auch einen staatlichen Freifahrtschein. Soweit habe ich es im Detail nicht durchblickt. Verstanden habe ich jedoch, dass diese Art von Fahrkarte nicht zulässig war für diesen „besseren“ Bus. Was auch immer diesen Bus als „besser“ ausgewiesen hat, wußte einzig die Schaffnerin, die nahezu jeden Fahrgast angemeckert hat, lamentierte, debattierte und unter viel Murren schlußendlich aufgab. Es musste also keiner aussteigen, sonst wär‘ der Bus auch leer gewesen.

Die verwegenste Version unseren Bus zu erreichen haben wir jedoch bereits am Anfang erlebt, auf dem Weg von Chennai nach Pondichery. Erst haben Thomas und ich dem armen Stefan ausgeredet, einen durchgehenden A/C-Bus vorzubuchen. Ist alles gaaarrrr keinnnnnn Problem! Wir lassen uns vom Tucktuck zur Central Bus Station fahren, da geht alle 15 Minuten ein Bus nach Pondi. Diese Rechnung hatten wir jedoch ohne die Tucktuck-Fahrer gemacht. Um an uns ein besseres Geschäft zu machen, beschwatzten uns die zwei Männer, uns zu einer anderen Haltestelle stadtauswärts zu fahren (kürzere Strecke), wo die Busse nach Pondichery auch halten würden. Pustekuchen. Als der Busfahrer unser riesen Gepäck gesehen hat, ist er einfach schnell weitergefahren. Die zwei Tucktuck-Fahrer haben sich zunächst in einer halsbrecherischen aber aussichtlosen Verfolgungsjagt mit dem Bus versucht. Irgendwo haben die zwei dann doch einen haltenden Bus abgegriffen, der nach Pondi ging und sich rotzfrech vor den Bus geparkt. Diesmal hatte der Busfahrer keine Chance zu entkommen! Alles Gepäck umständlichst verladen und los. Na bitte, geht doch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert