Vinoth hat mich heute mit dem richtig guten Stoff versorgt. Dejavu?
Menschen und Meer in Mamalapuram
Traffic
An dieser Stelle möchte ich meine ersten Einsichten über indische Verkehrsregeln etwas vertiefen. Wie bereits festgestellt, ist ein wesentliches Instrument im Nahkampf die Hupe. Gehupt wird, wenn man die Spur wechselt, wenn man jemanden überholt, wenn man sich einer Seitenstraße oder Kreuzung nähert, wenn Kühe, Ziegen, Hunde oder Passanten am Straßenrand stehen oder gehen, also kurz um vorausschauend auf sich aufmerksam zu machen. Da die Inder äußert umsichtige Verkehrsteilnehmer sind, kann also gar nicht oft genug gehupt werden.
In Indien herrscht Linksverkehr, das bedeutet, die rechte Spur ist die zweite linke Spur, solange einem keiner entgegen kommt. Das gilt auch dann noch, wenn einem jemand entgegen kommt, solange die Lücke noch passt. Unsere Gastgeberin Jasmin hat sich bezüglich ihres Fahrstils übrigens schon sehr gut in die indische Gesellschaft integriert. Umgekehrt gilt natürlich auch, dass die linke Spur unter bestimmten, dringenden wie alltäglichen Gründen als rechte Spur interpretiert werden darf. Im folgenden Video befinden wir uns auf der „zweiten linken Spur“, während der LKW vor uns auf der korrekten, rechten Seite fährt bzw. steht, denn wir stehen ihm ja im Weg.
Die Kreuzung. Die Kreuzung ist eine komplexe Materie und muss in Unterthemen gegliedert werden. Im Allgemeinen war es für mich noch nicht erkenntlich, ob es Vorfahrtsregeln im europäischen Sinne gibt. Im Prinzip wollen alle über die Kreuzung zur gleichen Zeit und es fummelt sich so zurecht. Für jeden findet sich eine Lücke. Daraus ergibt sich, wenn´s flüssig läuft, eine ganz eigene Choreografie.
Ein spezielles Thema ist die indische Ampelkreuzung. Dieser Teil der Analyse ist im Besonderen Jule gewidmet, die mich bat, dieser Forschungsfrage nachzugehen. Nach deutscher Logik könnte man davon ausgehen, dass eine einfache Kreuzung aus zwei Straßen besteht, die jeweils geradeaus durchgehen und einen Knotenpunkt bilden, bei welchem man von der jeweils einen Straße im 90 Grad Winkel in die andere überwechseln kann. Dementsprechend haben beide Richtungsspuren der jeweils „einen“ Straße gleichzeitig grün ( bzw. rot) mit speziellen Vorfahrts- bzw. Abbiegeregeln. An besonders gefährlichen Kreuzungen bekommen die Linksabbieger gelegentlich eine extra Ampelschaltung. Dieses Grundprinzip wurde an die indischen Bedürfnisse angepaßt. Die zuvor beschriebene einfach Kreuzung aus zwei Straßen besteht hier aus 4 Straßen, die sich in der Mitte treffen. Daraus folgt, dass jeweils nur eine von 4 Straßen grün hat, während alle anderen drei Straßen rot haben. Damit können alle, die Geradeausfahrer, die Rechts- und die Linksabbieger gleichzeitig die Kreuzung passieren. Alles klar soweit? Bei der letzten Busfahrt hatte ich trotzdem das Gefühl, dass der Bus bei Rot gefahren ist, nach längerem Stau auf der Kreuzung und polyphonem Hupkonzert damit es irgendwie weiter geht. Oder anders gesagt, die zunächst vereinfachten Ampelregelungen können verkompliziert werden, wenn konsequent Regel 2 gilt: Die rechte Spurt ist die zweite linke Spur.
Da Ampelkreuzungen jedoch selten sind und dann meist wesentlich mehr Straßen einmünden, scheitern meine Feldstudien noch mangels Datenerhebung. Es ist mir bisher nur gelungen 2 Videobeweise von der gleichen Ampelkreuzung in Chennai aufzunehmen. Einmal fahren wir gerade aus, einmal biegen wir ab.
Ausdrücklich lobend erwähnen möchte ich an dieser Stelle das indische öffentliche Nah- und Fernverkehrswesen per Bus. Es ist unglaublich dicht getaktet und wir haben selbst bei längeren Strecken mit Umsteigen nirgends gewartet.
Fortsetzung folgt…
Idli, Chidambaram und postkoloniale Allüren
Bisher hatten wir uns noch nicht viel wegbewegt, denn alle interessanten Dinge sind zu uns gekommen. Gleich am ersten Wochenende haben wir Prof. Dr. Dr. Daniel Jeyaraj, Professor of World Christianity, Liverpool Hope University, und seine Frau Scheila kennengelernt. Prof. Jeyarai hat im Ziegenbalghaus eine Art Vorlesung gegeben über die historischen Palmblattmanuskripte. Seine Frau Shiela ist echt `ne Granate. Am Samstag hatten wir zu diesem Anlaß den Koch zum Fisch kaufen begleitet und später am Tag an der „Speisung der 5000“ im Spiritual Center teilgenommen. Prof. Jeyarai hat 1990/91 seinen Doktor in Halle gemacht. Es war sehr interessant sich mit ihm und seiner Frau über die direkte Nachwendezeit aus deren Perspektive zu unterhalten.
Dann kam „Poppi“ zu Besuch, eine Freundin von Jasmin, Doktor der Bio-Chemie mit besonderem Forschungsgebiet HIV und Gelbfieber. Granate Nr. 2! Sehr witzig und selbstgewußt die indischen Ladies. Poppi hat uns ausführlich erklärt, wie Idli hergestellt wird, eine typische indische Frühstücksspeise. Hat so eine Konsistenz zwischen Grießbrei und Polenta und ist sehr aufwendig in der Herstellung. So ganz kurz: eine Mischung aus stundenlang gekochtem Reis- und Linsenbrei, der dann noch 24 Stunden fermentiert und anschließend dampfgegart wird. Poppi hat uns dann auch gleich zu selbstgemachtem Idli eingeladen. Na sagen wir mal fast selbstgemacht. Die fermentierte Grundmasse hat sie dann doch gekauft 😉
Allwin, der kein Freund von Idli ist, wollte nun in nichts nachstehen und konterte mit einer Einladung bei seiner Familie zu Dossas. Bei Dossa, wie wir gelernt haben, handelt es sich um den gleichen Teig, nur 1 bis 3 Tage länger fermentiert und damit mehr gesäuert. Rein äußerlich vergleichbar mit Crepes. Seine Mutti, meinte er, macht die Besten. Und in der Tat, das können wir jetzt bestetigen. Also verhungern werden wir hier nicht! Um Mutti bloß nicht zu enttäuschen und unserer Meinung, dass das wirklich super Dossas sind, über die Sprachbarriere hinweg Ausdruck zu verleihen, haben wir auch mehr gegessen als wirklich reinging. Wie ich aufgeklärt wurde, ist die permanente Frage, ob, wann oder was man gegessen hat, so ungefähr wie unser „Wie geht’s?“, wenn nicht wichtiger. Außerdem haben wir uns mit Allwins Mutter und Schwester so 3 bis 4 Hochzeitsalben angeguckt. Ich kann nur sagen: Glitzer geht immer. Das wird mein künstlerisches Verständnis nachhaltig prägen. Die ganze deutsche Kitschdebatte können wir uns eigentlich klemmen. Es versteht ohnehin niemand außerhalb von DE, was wir damit überhaupt meinen 😉
Vinoth hat zudem noch Ernesto aufgetrieben. Französischlehrer aus Argentinien. Ernestos Mutter ist aus Venezuela, sein Vater Franzose und beide Eltern waren in den 1960er Jahren echte Revolutionäre, so dass sie sich in Leipzig lieben lernten noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs. Das waren wieder weltpolitisch durchgeschaukelte Familiengeschichten, irre. Ernesto jedenfalls schreibt einen Roman, so eine Art utopischen Briefroman von einem Selbst an dessen Reinkarnationen in einer besseren Zukunft (Wieso eigentlich, der Messias war doch schon da ?!) und sucht auf seiner 5-monatigen Reise durch Asien nach Inspiration und auch ein bischen nach spiritueller Erhellung. Auf diese Weise wurde unsere allabendliche Balkongesellschaft in der Schwedischen Mission von Tag zu Tag immer bunter. Zudem kommt noch dieser und jener Freund von Jasmin vorbei. In so internationaler Gesellschaft, seelenrugig im abgehängten Korbschaukelstuhl wippend, Blick nach rechts auf`s dänische Fort, Blick nach links auf die bescheidene Villa des früheren dänischen Gouvaneurs, in der Mitte der Pazifik, vielleicht noch einen eisgekühlten Longdrink zu weltumspannenden Gesprächsthemen, da kann man schon (post)koloniale Allüren entwickeln.
Am Sonntag fanden wir, es wird nun wirkllich mal Zeit für einen Ausflug. Allerdings musste Thomas zu Hause bleiben und seine Hitzefrieseln schonen. Hatte ich schon erwähnt, dass es zwischen 11 und 16 Uhr ziemlich unerträglich heiß ist? Damit war der Anlaß gegeben den Ausflug mit Jasmins Motorrad anzugehen. Ob mein Nervenkostüm das wirklich verträgt? Aber dann entpuppte sich das Motorrad als optimales Mobil schon wegen dem Fahrtwind. In Velankanni haben wir eine christliche Pilgeranlage besucht, das „Lourdes von Indien“ und dann waren wir noch in einem muslimischen Heiligtum in Nagore.Unterwegs wurden wir zwei Mädels dauernd angesprochen, weil irgendwelche Leute (Inderinnen) mit uns Fotos machen wollten. Was wollen die bloß mit den Selfies von sich mit wildfremden, total verschwitzten Leuten? Na, was solls, wir spielen mit.
Seit Montag sind wir, Thomas und ich, nun unterwegs mit Ernesto. Wir haben uns entschieden ein bischen gemeinsam gen Chennai zu reisen mit dem Bus. Sensationell ist die musikalische Beschallung!
Ganz nach meinem Geschmack war unser erster Zwischenstop in Chidambaram um einen Hindutempel zu besichtigen – der Wahnsinn!
Nun chillen wir in Pondicherry. Ernesto hat hier wie in Tharangambadi Connections zu einem Hotelbesitzer, wo man sich mal so richtig ins 18./19. Jahrhundert zurückbeamen kann.
Zunächst steigen wir mit Ernesto ab im „Dune del´Orient“. Er wohnt hier for free. Wir leisten uns einfach mal diese kleine französisch-spätkoloniale Nobless – für eine Nacht.
Am Mittwoch hat Ernesto dann in Auroville eine Verabredung zum tieferen Gespräch mit dem Universum und wir gucken dort einfach mal so rum.
Clevere Kuh
Ich hatte noch gar nicht erwähnt, dass hier alle erdenklichen Haustiere frei rumlaufen. Die Tiere haben dabei alle so ihre Zeiten. Früh morgens ist vor dem Sweedish Mission Bungalow Ziegentreff. Am Vormittag ist Hundeversammlung. Manche Hunde haben ein zu Hause und kommen bunt gesegnet, andere scheinen Streuner, aber man vertreibt sich die Zeit gemeinsam. Erst zur Dämmerung treffen sich die Kühe auf dem Platz vor dem dänischen Fort. Den Rest des Tages spazieren sie hier und dort die Straßen entlang in unerschütterlicher Ruhe.
Jeden Nachmittag schlendert eine sehr schöne Kuh an unserem Haus vorbei und einmal über den Dorfplatz. Dabei gab es heute einen Zwischenfall. An einem Motorrad machte sie einen Stopp und zottelte behutsam an irgendwas rum. Zuerst konnten wir nicht sehen, was ihre gesteigerte Aufmerksamkeit in den Bann zog. Klonk! Da purtzelte eine Tüte Äpfel zu Boden. Wie geschickt! Leider konnte ich nur noch die dramatische Schlußszene festhalten, als der Besitzer die kläglichen Reste seines Hab und Guts rettete.
Und hier noch ein paar Impressionen für alle Tierfreunde.
Im Bus nach Karaikal
Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein,
und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Jesaja 43:2, Lutherbibel 2017
Nach dem wir uns nun aklimatisiert haben, haben wir am Montag mal einen ersten kleinen Ausflug ohne Begleitung gewagt. Die ersten Tage zog gegen Nachmittag immer eine dunkle Regenwolke auf, aber geschüttet hat es erst Abends gegen 20 Uhr. Sehr angenehm übrigens so ein Guß nach einem heißen Tag. War natürlich klar, dass wir die große Gewitterfront gegen 16 Uhr nicht besonders ernst genommen haben. Weit gekommen sind wir dann erstmal nicht. 50 m hinter unserer Haustür, auf Höhe des katholischen Mädchenheims mussten wir uns geduldig unterstellen. Aber wir hatten ja aufbauende Lektüre.
An der Bushaltestelle waren wir eine kleine Sensation besonders für die Schulmädchen, gefühlte 100. Das setzte sich im Bus dann fort. Zwei ältere Frauen bestanden darauf, dass ich zwischen ihnen sitze, obwohl wir selbst mit Händen und Füßen nicht groß weiterkamen in der Kommunikation. Aber sie waren`s zufrieden und nach dem Aussteigen am Busbahnhof Karaikal wurden noch kräftig Hände geschüttelt und gute Wünsche ausgetauscht – glaube ich zumindest.
Weil wir so spät los sind, war es bei Ankunft in Karaikal schon fast dunkel und es begleitete uns ein stetiger Regen. Fußgänger in Indien, zumindest in dieser Gegend, ist eine echte Herausforderung. Man braucht seine Augen 360 Grad. Bürgersteige gibt es im Prinzip nicht. Aus den Rinnsalen und Pfützen wurden größere Seegebiete.
Wir trinken einen indischen Kaffee auf dem Weg. In der Zwischenzeit habe ich auch vergessen, was wir eigentlich einkaufen wollten. Es ist jedenfalls so, dass in Thrangambadi einiges sehr verpönt ist. Rauchen, insbesondere Rauchen auf der Straße geht gar nicht. Alkohol kaufen, egal was, ist unmöglich. Ein paar Kilometer weiter in Karaikal kann man Bier und dies und das erwerben. Wir kaufen also auch eine Flasche Rum auf unserer Bummeltour – nicht, weil wir auf harte Getränke stehen. Es gibt in der Tat Alkoholkontrollen zwischen Tharangambadi und Karaikal und es ist besser nur eine Flasche Hochprozentiges mit uns rumzutragen statt 3 Flachen Dünnbier.. .
Auf dem Rückweg zum Busbahnhof, sind die Pfützen schon unüberschaubar geworden. Ein großes Auto flutet uns von oben bis unten. Wir sind klitschnaß und jetzt geben meine Schuhe auch endgültig auf. Trotzdem sind wir guter Dinge – ich denke nur „Heute Abend muss ich mich komplett desinfizieren!“ _ Ich muss hier jedoch kurz vorgreifen: Anders als erwartet, sind wir nicht von oben bis unten eingeschlammt. Zu Hause stellen wir fest, dass wir zwar komplett durchweicht, aber ebenso sauber sind.
Wieder am Busbahnhof angekommen, gibt es dort einen älteren Herren, der berufsmäßig Auskunft über die Busse, deren Abfahrtsorte und -Zeiten gibt. Nun ergreift uns aber der Hunger. Wir kehren in der Nähe ein in ein „Restaurant“. Vielleicht wäre es besser zu sagen in eine Art „Bistro“. Genaugenommen in eine kleine, schrapelige Lücke mit Kochstelle und 2 klebrigen Tischen und 6 Stühlen. Ich zeige auf so Teigklumpen am Eingang „2 pieces, please“. Darüber hinaus verstehen wir nix und sagen zu allem „Ja, Ja“. Wir können hier zugucken, wie man Barotto ( oder Parotta) macht. Aha! Schmeckt jedenfalls alles super, was auch immer es war. Thomas und ich überlegen kurz, ob wir unser Geschäftsfeld erweitern: Weiterbildungsreisen für das deutsche Hygieneamt (kicher), nachdem wir mit unseren Weiterbildungsmaßnahmen in Indien für das deutsche Bauordnungsamt einige Psychiatrieplätze überbelegt haben (noch mehr Gekicher).
Nun sind wir aber total durchgeweicht. Am Busbahnhof verstehen wir die Abfahrtszeiten Null-Komma-Nix. Also entscheiden wir uns für so ein gelbes, indisches Taxi – Auto kann man das nicht nennen – um nach Tharangambadi zurückzufahren. Der Bus hat 40 Rupie für uns beide gekostet, so umgerechnet etwa 25 Cent pro Person. Jetzt zahlen wir im ströhmenden Regen 400 Rupie zurück im Tuck-Tuck. Naja, was soll´s .
Tempel am Meer
Auf dem Fischmarkt
Heute sind wir in aller Herrgottsfrühe aufgestanden um 5.30 Uhr um mit Vinnot, Allwin und einem Koch aus dem Ort auf den Fischmarkt zu fahren. Vinnot arbeitet im Ziegenbalghaus. Allwin erledigt rund um die Uhr Dinge für das Ziegenbalghaus, und der Koch ist, wenn ich es richtig verstanden habe, heute extra engagiert, weil es im Ziegenbalghaus ein großes Seminar mit vielen Gästen gibt. Vinnot und der Koch kaufen einen ganzen Sack voll Fisch, den sie zu zweit kaum tragen können. Wenn ich mich recht erinnere hat Jesus 5000 Leute mit nur einem Fisch beköstigt.
Hier wird viel gestritten und diskutiert und man braucht kein Tamil um zu verstehen, dass die Fischweiber nicht aus Zucker sind.
Erste Impressionen
Thomas hat schon eine gute Zusammenfassung formuliert: Sieht aus wie Breughel mit Plastikmüll. Im Moment traue ich mich noch nicht, überall knallhart die Kamera drauf zuhalten.
Die ersten Tage haben wir gleich alles gemacht, was der Reiseführer nicht empfiehlt, wie rohes Zeug essen, barfuß laufen und an jeder Straßenecke verdrücken wir irgendwas, mal kalt, mal warm. Todesmutig habe ich mich an die Törtchen gemacht. Bis jetzt geht es uns gut.
Eigentlich wohnen wir hier in einer recht ruhigen Ecke. Gestern morgen gegen halb 10 wurden wir von Klaviermusik aus dem Hinterhof geweckt. Klang überraschend europäisch, bisschen laut vielleicht aber nett… Hätte fast ein Stück Kirchenmusik sein können, Paul Gerhardt oder so, das klingt schlicht in Klavier für meine Ohren viel heutiger als mit Orgel. Der Pianist auf dem Nachbargrundstück steigerte sich langsam. Zuerst wurde der Klaviersound aus dem Keyboard mit einem breiten Gitarrendröhnen unterlegt, völlig übersteuert wie man es sonst von Heavy Metall kennt. Dann wurde noch dieser und jener Schrammel- und Bimmel-Effekt hinzugefügt. Ich will nicht sagen, es steigerte sich zu Trash, aber plötzlich klang es ziemlich „indisch“. Die Geräuschkulisse begleitete uns den ganzen Tag. Hier eine kleine Kostprobe:
Ein paar Meter weiter vor der Kirche – da kam die Musik her – war es dann noch etwas lauter.
Und das blieb dann im Prinzip den ganzen Tag so bis zum abendlichen Gottesdienst. Der war nicht unbedingt leiser, aber anders.
Angekommen !
Es ist ja nicht wirklich vorgesehen mal 6 Wochen komplett auszusteigen. Also habe ich am 9. September noch bis 24 Uhr gearbeitet. Schlafen wird völlig überbewertet. Bis 2 Uhr habe ich kein Auge zubekommen, um danach in halbherzigen Dämmerschlaf zu sinken. 10 vor 4 klingelte der Wecker: Auf geht´s!
Pünktlichst 5.15 Uhr am Flughafen Halle/Leipzig vorgerollt. An der Handgepäckabfertigung einen ernsten Vortrag abgeholt. Der Flughafenmitarbeiter wäre bestimmt gerne Polizist geworden. Schwupps in den Flieger gen Frankfurt/M : Abflug 6.10 Uhr. Nur 35 Minuten Flugzeit. Ich bin fassungslos. Das ist jetzt politisch total unkorrekt, aber kurz frage ich mich doch, warum ich eigentlich immer Zug fahre… In Frankfurt müssen wir dann 4 Stunden Zeit verbummeln und langsam schwächelt meine Kondition. Kaum Platz genommen im Flieger nach Chennai schaffe ich es nicht mal mehr bis zum Start und ratze sofort ein. Nicht die schlechteste Variante, denn ich schlafe quasi die ganzen 9 Stunden Flug durch.
22 Uhr 45 Ankunft in Chennai. So, nun bin ich wieder ganz gut ausgeschlafen! Glücklicherweise müssen Thomas und ich nur Jasmin Eppert hinterher dackeln. Bis jetzt kann nicht viel schief gehen. Erst verdallern wir Zeit mit Einreisepapierkram. Immerhin, man lässt uns rein, scheint also geklappt zu haben mit dem E-Visa. Dann kaufen wir noch schnell im Duty free 1 Flasche Whisky und 1 Flasche Gin. Der Gin ist selbstverständlich medizinisch indiziert und mit dem Whisky stellen wir Weltliteratur szenisch nach!
Wir satteln um auf Taxi und brausen davon in die indische Nacht gen Tharangambadi. Es ist gegen 1 Uhr nachts indischer Zeit, nur noch ungefähr 6 Stunden Autofahrt. Ich entschließe mich, einfach aus dem Seitenfenster zu gucken und nicht nach vorne aus dem Auto. Dabei ist das Verkehrssystem einfach zu verstehen: Wozu blinken, wenn man hupen kann ?! Ich hege den Verdacht, dass unser Fahrer auch nur uns zu liebe blinkt. Hier und da halten wir nachts an und trinken indischen Kaffee, super Gebräu! Langsam geht die Sonne auf…
Gegen halb 7 Ortszeit rollen wir in Tharangambadi ein und halten in einer kleinen Gasse vor unserer Unterkunft. Links ein kleines, schmuckes Häuschen. Rechts eine Baustelle. Irgendwie habe ich geahnt, dass unsere Bleibe nicht auf der linken Straßenseite liegt. Nach kurzer Besichtigung mit dem Vermieter bietet Jasmin uns an, erstmal bei ihr unterzukommen. Um so besser.
Am besten Haus am Platze gehen wir ausführlich frühstücken und lassen uns gleich mal Frühstück auf indisch vorführen. Wie war das mit den Reisewarnungen? Ach Quatsch, rein mit dem Obstsalat! Auf der Terrasse der Schwedischen Mission, unsere Bleibe, gibt’s noch schnell 3 medizinische Aufgüsse, in Ermangelung von Tonic wahlweise Gin, Gin mit Eis und Gin mit Wasser und Eis. Um 10 Uhr fallen wir in unser indisches Bett: Angekommen!