Nachdem ich am letzten Freitag meine Pakete verschifft habe, hatte ich heute das erste mal den Mut, zu prüfen, ob bzw. welche der Nummern auf meinen Kopien tatsächlich meine Sendungsnummern für die Pakete sein könnten. Und in der Tat, ich habe alle beide Pakete gefunden sowohl im Tracking der indischen Post und bei DHL. Eines ist sogar schon in Deutschland beim deutschen Zoll. Das andere scheint in der Abfertigung für den Luftweg noch in Indien.
Das letzte große Abenteuer in Thrangambadi lautete, 2 Pakete Kunst nach Deutschland zurück senden per Post. Vorab gibt es dazu zwei Dinge zu erklären.
Zum einen: Indien macht oft einen sehr bürokratischen Eindruck, so als ginge alles einen rechtlich vorgeschriebenen, ergo regelgeleiteten und damit strukturierten Weg. Dieser dauert allerdings undurchsichtig lange, es muss viel Papierkrieg erledigt werden. Alles was am besten mehrfach gestempelt und gegengeprüft werden kann, macht einem guten, wichtigen Eindruck und verschafft allen Beteiligten eine ordnungsgemäße Aufgabe und persönliche Wichtigkeit. Auch jenseits meiner Sprachbarriere wird damit alles oft so kompliziert, dass ganz allgemein viel telefoniert werden muss. Ich glaube, es gibt kein zweites Land auf der Welt, wo die Leute so viel telefonieren. Alle hängen quasi durchgehend am Phone und organisieren irgendwas rum, halten Rücksprache, fragen irgendwo nochmal nach… Und wenn man unter irgendeiner Begründung weggeschickt wird, um bitte morgen wiederzukommen, ist das meist kein gutes Zeichen. Ich habe den Eindruck, die andere Person hofft einfach, man löse seine Probleme woanders und käme gar nicht mehr. Pläne sind in der Regel dazu da, verworfen zu werden, aber nicht ohne sie zuvor ausführlich erörtert zu haben. Das heißt planen, umplanen und dann das machen, was sich ergibt. Wenn man jedoch beharrlich bleibt (und sei es nur Begriffsstutzigkeit wie in meinem Fall), gibt es am Ende eine überraschende Wendung in Form einer aus meiner Sicht total schlampigen Lösung jenseits aller Vorschriften. Die „funktioniert“ dann zumindest insofern „ergebnisorientiert“, dass man einen langwierigen Prozess irgendwie zu einem Abschluss bringt.
Andererseits muss man die Vorgeschichte kennen, wie die Kunst überhaupt den Hinweg von Deutschland nach Indien gefunden hat, um eine Vorstellung zu bekommen, was ich auf der indischen Post durchlebt habe. Also ganz im Stil des indischen Films erstmal eine halbe Stunde Rückblende:
2 Pakete reisen von Deutschland nach Indien
Anfang Dezember 2023 habe ich die Kunst in 2 Paketen nach Indien versendet inklusive von einigem Montagematerial, Bilderhaken etc. Jedes Paket 120 cm x 60 cm x 20 cm, einmal 11 kg, einmal 16 kg. Mehrere Wochen befasse ich mich mit Zollfragen und den entsprechenden Papieren. Lange kreist meine Aufmerksamkeit um die Frage, ob ich eine Ausfuhranmeldung brauche und wenn ja, wie ich die zu Wege bringe. Ich sage nur 27 B – 6, falls ihr wisst, was ich meine. Die deutsche Post verlangt pro Paket eine Zollinhaltserklärung Formular CN23 in einfacher Ausführung und dann noch eine Proforma-Rechnung in doppelter Ausführung. Das Online-System von DHL für das CN23 ist etwas idiotisch und erst beim 7. Versuch für Paket 1, schaffe ich es, dass Zeitfenster für´s Ausfüllen einzuhalten – wenn man zu lange braucht, bricht das System nämlich ab und man beginnt von vorne. Jedes kleine Scheißteil im Paket muss genau ausgewogen werden und einen Wert zugewiesen bekommen und so fort. Eine sehr aufwendige Geschichte in diesem Fall mit diversen Angaben insbesondere auf dem Schriftstück Proforma-Rechnung in Zollfachchinesisch, deutsch-englisch natürlich. Alle Papiere müssen dann außen am Paket in einer transparenten Begleittasche mit dem jeweiligen Paket reisen. Ich habe mich akribisch darum bemüht, dass alles zu verstehen und dabei schon gemerkt, dass das größte Problem darin besteht, das es sich nicht um klassische Handelsware handelt, sondern (vorerst) um unverkäufliche Ausstellungsstücke für eine nicht-kommerzielle Ausstellung. Mehrfach telefoniere ich im Kreis: Zoll, Handelskammer, Internationale Gesellschaft für bildende Kunst, Kundenservice deutsche Post – jeder erklärt mir was anderes. „Schnucki Consultings, Import-Export-International – weltweit und darüber hinaus“ in vollem Einsatz. Soweit, so gut.
Tracking indische Post, hier deutet sich an, dass es Probleme gibt
Ich war sehr beeindruckt vom DHL Tracking System und konnte meinen beiden Paketen also quasi fast live zugucken, wie sie ihre lange Reise absolvierten. Die durchschnittliche Zustelldauer betrug laut DHL 12 bis 22 Tage. Ich hatte rund 50 Tage eingeplant, nach gut einer Woche war die Kunst in Indien gelandet. Und dann gingen die Probleme los mit dem indischen Zoll. Der Zoll wollte von Dr. Manuel aus dem Ziegenbalg House Museum genau die Papiere haben, die eigentlich mit den Paketen reisen sollten. Viel Hin und Her, erst waren die Papier weg, dann waren es angeblich nicht die richtigen Papiere….. Am Ende haben viele involvierte Personen Zeit und Nerven gelassen. Ein besonderer Dank an dieser Stelle nochmals an Frau Küchler, die deutsche Konsulin in Chennai, mit deren Hilfe die Pakete endlich aus dem Zoll losgeeist wurden. So kamen sie gerade rechtzeitig an für die Ausstellung. – Ende der Rückblende –
2 Pakete reisen (vielleicht) von Indien nach Deutschland
Dr. Manuel hatte nun etwas Bammel vor der Rücksendung wegen dem ganzen Ärger mit dem indischen Zoll und bat mich, die Dinger doch selbst auf den Rückweg zu bringen. Nun fühlte ich mich wiederum ganz gewappnet, die Pakete Kraft meiner Wassersuppe selbst zu verschiffen. Ein besonderer Trip in der Rubrik Selbsterfahrung. Es gibt diese Momente, wo man sich selbst dabei zugucken kann, wie deutsch man gepolt ist.
Voller Stolz habe ich die beiden Proforma-Rechnungen für den Rücktransport erarbeitet, mit kurzem Anschreiben, allem nötigen Fachchinesisch wie HS Tarif Code Nummern, Wiedereinfuhr etc …. Und vorsorglich hatte ich noch eine deutsch-englische Vorlage für ein CN23 im Gepäck, dass ich schon mal vorausgefüllt habe.
Am Mittwoch Nachmittag stand ich beim Post Office in Tharangambadi vor verschlossener Tür, Öffnungszeiten 9.30 bis 14 Uhr. Am Donnerstag bin ich mit einem Zettelchen, das alle notwendigen Angaben für Auslandssendungen enthielt, erneut zur Poststation in Tharangambadi gedackelt und hatte vorsorglich schon meinen ganzen Papierkrieg dabei. Ich wollte vorab die Größe der Pakete besprechen, ob ich irgendwas ggf. online machen kann. Ja, sagte der Postbeamte, das CN23 füllt ER online aus, wenn ich die Pakete bringe. Was die 2 Pakete wohl kosten würden, frage ich, Gewicht, Größe und Warenwert auf meinem Zettel notiert, den ich dem Postbeamten unter die Nase halte. Nein, dass kann er mir erst sagen, wenn er die Pakete sieht.
Mir war schon klar, dass ich etwas mehr Bargeld brauche, um die Sendung zu bezahlen, aber der Geldautomat in Tharangambadi wollte am Donnerstag kein Geld ausspucken. Am Freitag früh übrigens auch nicht. So führte kein Weg daran vorbei, nach Karaikal zu fahren. Um 10 Uhr kam ein Fahrer mit einem richtigen Auto. Wie praktisch, dann fahren wir die Pakete doch gleich zur Poststation Tharangambadi. Die Dinger gingen so mit Ach und Krach in die Karre. In der Post bekommt der Postbeamte Zustände. So große Pakete können sie nicht versenden. Online kann man gar nichts buchen und Abholservice gibt es sowieso nicht. Vielleicht werde ich die Pakete in Karaikal los, sonst in Mayiladuthurai, sein Tip. Na schönen Dank, das wollte ich doch alles am Vortag rausfinden, bevor ich die 2 Pakte hier her schleppe! Also alles wieder ins Auto geknärt und ab nach Karaikal.
In der Hauptpost in Karaikal ist man nicht geschockt und nimmt sich gleich meiner an. Wohin? Germany. Ein Mitarbeiter drückt mir umgehend 2 Zettel in die Hand. Ahhhhhh, die indische Version des CN23, sogar mit einem absolut identischen Layout. Ich zücke meine deutsche Vorlage und übertrage alles handschriftlich in Minischrift mit dem Kugelschreiber. Derweilen schlage ich Thomas vor, mit dem Fahrer ein Lemon Soda trinken zu gehen, dass dauert jetzt sicher ein bisschen. Nach etwa 40 Minuten bin ich fertig mit den 2 Zollpapieren. In der Post ist es übrigens sehr voll, obwohl ich nicht verstehe, wer wo ansteht. Ich komme zu dem Schluss, „dran“ ist einfach der, der sich am besten an irgendeinen Schalter drängelt. Und die Personen, die eben noch zuständig waren, sind dann irgendwie immer weg, also beschäftigt man die oder den Nächsten mit seinem Anliegen. Dann gibt es auch schon das erste Problem. Ich hätte die Werte der einzelnen Inhalte nicht in Euro angegeben sollen sondern in Rupien. Dumm gelaufen, oh nee, jetzt alles nochmal ausfüllen? Ein weiterer netter Postbeamte erscheint: „Also die Felder hier und die da und das und das und das auch noch… beim zweiten Mal bitte alles nicht ausfüllen.“ OK, also alles, worauf der deutsche Zoll wert legt ? Aber was argumentier´ ich hier rum, gibt ja noch die Pro-Forma-Rechnungen als Begleitscheine, die alles enthalten, was der deutsche Zoll wissen will. Doch dann kommt es zu weit größeren Komplikationen. Ich hielt es für das Einfachste, die Pakete von mir als Absender (Adresse Gast im Ziegenbalg House Museum) an mich zu Hause in Deutschland zu schicken. Und das geht nicht, da ich zwingend ein indisches Meldepapier mit bestätigter Adresse in Indien benötige, von dem eine Kopie gezogen wird für die Paketbuchung. Oder kurz: Ich kann als Ausländer gar kein Paket versenden. Is´ ja irre, wer kommt auf sowas? Der erste Versuch besteht darin, Dr. Manuel zu erreichen, aber es ist gar kein Mitarbeiter im Ziegenbalg House ans Telefon zu kriegen.
Herr R. Mohan hilft
Jetzt die indische Lösung des Problems:
Der netten Postbeamte vom Anfang ist wieder da. Er bietet an, seine Adresse als Absender zu verwenden, jedoch mit unserer indischen Telefonnummer (dass das mit unserer indischen Telefonnummer in 7 Tagen erledigt ist, verschweige ich ihm). Ein anderer Mitarbeiter füllt die beiden CN23 nun aus. Er nimmt einige „Vereinfachungen“ darin vor, dass heißt, er lässt tatsächlich alles weg, was aus meiner deutschen Sicht wichtig gewesen wäre. Mal abgesehen vom Inhalt, so werden aus Pictures hooks (Bilderhaken) Picture books (Bilderbücher) und überhaupt viel zu lang die Liste des Inhalts, kann man kürzen und den Rest lässt er weg. Am Ende erfindet er noch pro Paket einen indischen Gesamtwert in Rupien, einmal 9.000 und einmal 8.000 Rupien, was sich mit dem deutschen Wert natürlich nicht im Geringsten deckt. „Das ist genug“, meint er. Immerhin bekomme ich eine Kopie von den CN23 und eine Quittung. Ich fotografiere die beiden Pakete. Nach etwa 2 Stunden sind wir dann endlich fertig. Die 2 Proforma-Rechnungen darf ich einpacken, die will hier keiner, viel zu kompliziert. „Hier die 2 Sendetaschen für Begleitdokumente machen wir (= die Postler) auch gleich mal ab“. Auf dem Rückweg wird mir klar, dass ich gar nicht nach der Sendungsnummer gefragt habe. Vielleicht identifiziere ich noch irgendwas auf der Quittung als Tracking ID.
Dr. Manuel sagt, er habe in der Zwischenzeit gebetet für mich, die Pakete und ein gutes Gelingen. Ich auch. Zuerst einmal bete ich dafür, dass die Pakete Indien überhaupt verlassen. Sonst hat ein gewisser Herr R. Mohan aus Kottucherry demnächst eine neue Wohnungsdekoration. Und dann weiß ich überhaupt nicht, wie ich das alles dem deutschen Zoll erklären soll. Dabei war ich doch so verdammt krümelkackerig genau, super deutsch gut vorbereitet!
… der Erste als in Rom der Zweite. Das soll ein Zitat von Cesar sein. Ich stimme zu.
In der Zwischenzeit sind wir in einem gewissen Gewaltmarsch sehr schnell zurückgereist von Agonda Beach (Goa) nach Thrangambadi (Tamil Nadu). Was wir zuvor in 3 Wochen abgetrödelt haben an Hinweg zur Westküste, haben wir nun in etwa 6 Tagen runtergerissen zurück zur Ostküste. Kurz haben wir debattiert, ob wir doch Zug fahren oder sogar fliegen. Aber dann doch wie immer Bus. Manchmal etwas unglücklicher Planung oder auch Missverständnissen geschuldet hieß dies zum Teil 9 Stunden auf Achse sein pro Tag. Dies absolvierten wir zusätzlich in einem gewissen Zickzackkurs, da wir noch Gepäck in Tiruvanamalai hatten bei Asma. Bangalore ließ sich als Verkehrsknotenpunkt auch nicht vermeiden. Und „ich habe noch einen Koffer in Tranquebar“, und zwar einen ziemlich großen mit dem ganzen Kunstkrempel.
Unsere Reise geht also langsam dem Ende zu – unglaublich, wo ist die Zeit geblieben? – und damit auch die Ausstellung. Wir haben die Ausstellung also gestern nach der letzten Schul-Delegantion mit 67 Oberschülerinnen beendet mit dem ultimativen Besucherrekord: gut 4.300 Besucher!
Da gab es noch so einen verrückten Moment mit den Mädchen. Da ich vor Ort war, bot ich an am letzten Tag noch die Führungen durch die Ausstellung zu begleiten. Also sagte ich ganz freimütig, los Mädels stellt doch Fragen, was wollt ihr wissen? Zunächst nichts, nur schüchternes Getuschel, aber dann die ganz große Performance. Zwei Mädels haben mir völlig synchron im Duett die gleiche Frage gestellt. Sowas habe ich noch nie gehört! Wie ein griechischer Chor im Kleinformat.
Die letzte Besucher-Delegation verlässt die Ausstellung
Aber das Abenteuer ist noch lange nicht vorbei. Fortsetzung folgt, versprochen….
Hampi ist natürlich das diametrale Gegenstück zu Chitradurga. Der ultimative Touristen-Hot-Spot, völlig überlaufen, inklusive all der Nebeneffekte, die dies so mit sich bringt: Noch mehr Müll, Leute die betteln und Händler, die mit allerlei Tünnef versuchen, sich einen Lebensunterhalt zu schaffen. Die Tuck-Tuck-Fahrer-Gilde (hier sagt man ja Auto dazu) ist auch recht straff organisiert. Überall die gleichen Preise und Angebote: Tagestour mit einem Fahrer, Start am „best of the world sunrise-place“ (ich will nicht wissen, wie viele Menschen sich da früh um 7 Uhr zusammendrängeln) und jeder will einem seine Whatsapp-Nummer aufschwatzen. Nee, das lassen wir bleiben.
Aber ich kann´s auch verstehen. Hampi muss man echt gesehen haben. 26 Quadratkilometer Ruinenstadt, Unsesco Weltkulturerbe versteht sich, das kann ja kein Geheimtipp sein ;). Angeblich haben wir dabei noch Glück, denn es ist bereits Ende der Saison, also leerer als noch vor wenigen Tagen (schwer vorstellbar).
Unsere Bleibe im zweiten Stock, linkerhand Immobilie auf dem NachbargrundstückImmobilie auf dem Nachbargrundstück
Wir loggieren in einem Örtchen vor Hampi zwischen dem Hampi-Café und dem Happy-Hampi-Café. Das Happi Hampi Café ist der hippe Inntreff schlechthin. Ablümmeln in der Bambusloggia. Da treffen sich Russen, Briten, Italiener, Coreaner, Volk aus der ganzen Welt, und wir natürlich.
Happy Hampi Café
Für Hampi haben wir offensichtlich nicht genug Zeit eingeplant, nur 2 Übernachtungen. Abends beginnen wir schon mal mit dem Tempel, bei Sonnenuntergang, wenn die ganzen Inder dort hingehen und mit Glöckchengebimmel und Geheimzutaten ihre Rituale abhalten.
Am ersten Abend in unserer Unterkunft befasse ich mich nun doch etwas ausführlicher mit dem digitalen Ticketsystem der Altertumsbehörde… Es hat ja echt keinen Zweck, wenn wir nirgends reinkommen wegen Totalverweigerung des digiatlen „Fortschritts“. Wohl ist mir bei der Webseite allerdings nicht. Die wollen aus meiner Sicht vielzuviel wissen und ich habe nur die Chance, der Speicherung meiner Daten inklusive Kreditkarte zuzustimmen. Immerhin, man kann angeblich mit Kredit- oder Debitkarte zahlen. Tatsächlich funktioniert aber keine unserer Karten (dabei können wir schon ein ganzes Kartenspiel damit aufmachen): Identitätsprüfung abgelehnt. Das ganze System ist ohnehin völlig sinnlos, weil man notwendigerweise eine indische Telefonnummer braucht (wir haben immerhin eine) und ohne diese als Ausländer gar nicht weiter kommt. Das können die jetzt doch nicht ernsthaft bringen, oder? Ich meine, die Antikenbehörde schickt doch nicht jeden Tag 5.000 Ausländer unverrichteter Dinge wieder „nach Hause“?? Neben uns logiert ein indisches Päärchen aus Delhi. Wir fragen. Oh Gott ja, sagen die gleich, die Ticketwebseite der Altertumsbehörde ist eine maximale Katastrophe. Sie hätten es zwar geschafft zu zahlen, das digitale Ticket ist jedoch nie eingetroffen und eine Beschwerdefunktion gibt´s wohl auch nicht. Na sieh an, da habe ich die Einlasswärter in Chitradurga ja praktisch betrachtet gar nicht angeschwindelt…. Aber, bringen wir nun in Erfahrung, es gibt einen stinknormalen Ticketschalter und das meiste ist ohnehin Eintritt frei.
Um 7 Uhr fallen wir aus dem Bett und gradewegs auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Kaffestand ein. Frühstück, haben wir beschlossen, wird verschoben. Zum Glück kommt ohne weitere Bemühungen ein Tucktuckfahrer vorbei, dem wir noch ´nen Tee spendieren, dann lassen wir uns zur ersten Anlage fahren. Um die Uhrzeit ist es noch angenehm kühl und vollkommen leer. Super!
Am Rande ergibt sich wieder eine witzige Anekdote. Die amtierende Gattin des letzten Maharajas spricht Thomas an, ob er ihr wohl assitieren würde, ein Selfi-Video in historischer Kulisse zu drehen. Dann gibt sie umfassende Regieanweisungen. Sinngemaß: „Ich erscheine also hier elfenhaft die Treppe emporschwebend, die Kamera folgt mir nach links, gekonnte szenografische Drehung, ich wandele graziös zurück, Schwenk um die Ecke herum, wie ich leichtfüßig den Säulengang einmal hin und zurück tänzel. Und hier vorne dann Cut!“. Alles in Slowmotion selbstredend und den Bollywood-Soundtrack liefert sie summend auch gleich mit. Darauf Thomas: „Das wird ja ein ganzer Kinofilm, meine Dame!“ – Her Majesty: „Das versteht sich doch bitte von selbst, my Dear!“ Leider war ich nicht blickig genug und habe nur noch den Abspann mitgedreht.
Bis um 11 machen wir das, was wir eben schaffen, danach verstecken wir uns wegen Hitze in unserer Unterkunft. Am späteren Nachmittag gehen wir noch etwas rumbummeln… Ich vermute es sind schon eine Million Fotos von Hampi gemacht worden und trotzdem kann man sich keine Vorstellungen von den Ausmaßen der Anlage machen. Nichts desto trotz füge ich nun auch ein paar weitere Fotos und Videoschnipsel hinzu.
Sind wir am Vortag noch voller Tatandrang, was wir am kommenden Vormittag vor Weiterreise unbedingt alles angucken wollen, ist am nächsten Morgen der Elan verflogen. Wir zischen ab, einfach zu heiß hier, schon um 8 nicht mehr auszuhalten. Glück im Unglück, die kommenden 125 Kilometer bis Hubali dauern ewig und im Rückblick sind wir froh, zeitig genug losgekuscht zu sein. Hubali ist dann keiner weiteren Erwähnung wert, außer, dass wir mal wieder eine Nacht in einem richtig bequemen Hotel verbracht haben. Eingedreckt wie die Landstreicher treffen wir dort gegen 17 Uhr in der schnieken Lobby ein. Duschen, Waschen, Essen, Bett.
Kultur ist schön, aber manchmal macht sie einen auch fix und foxi.
Ich weiß nicht, ob man überhaupt davon sprechen kann, den ganzen Reiseplan über den Haufen geworfen zu haben, wenn man erst gar keinen hatte. Asma hat jedenfalls empfohlen nach Hampi zu fahren, was in etwa 180 Grad entgegengesetzt zu unseren ersten Ideen liegt. Gesagt, getan. Dann kam so ein Baustein zum anderen, u.a. dass Hampi doch recht weit entfernt ist von Tiruvannamalai und Zwischenstopps erfordert, zumindest, wenn man wie wir mit dem ordinären öffentlichen Bus fährt. Somit war es unvermeidbar, in Bangalore Halt zu machen. Das Beste an Bangalore war unser Hotel. Danke Asma! Du hattest vollkommen recht: Rund um die Uhr den Zimmerservice in Anspruch nehmen und einfach nicht rausgehen. Das Highlight unseres aufsehenerregenden Kulturprogramms war Metro fahren. Am Rest sind wir gescheitert.
Fazit: Bangalore kann man machen, muss man aber nicht.
(Ps: Und wenn ich demnächst wieder Nerven habe, beschreibe ich das Ausmaß unseres Scheiterns)
Die letzte Woche haben wir eine sehr entspannte Zeit mit Asma Menon genossen. Asma, 2019 im Austausch für Stefan Schwarzer und mich in Halle, ist auch Künstlerin, tanzt auf jeder Hochzeit und kennt gefühlte 100.000 Leute aller Art. Um nicht zu sagen, sie hat das unabdingbare Etwas, was man zur perfekten indischen Diva benötigt. Junge Männer, vom Kellner bis zum Juniormanager, die sich in ihrer Nähe dusselig anstellen, lässt sie wortreich und pointiert stramm stehen. Kurz: Man kann mit Asma wirklich ausgelassen Spaß haben.
Künstlergrundstücke sehen weltweit irgendwie gleich aus
Zusammen mit „Mona, Darling“ wohnt Asma etwas auswärts von Tiruvannamalai.
Blick aus unserem Zimmer mit „Mona, Darling“
Auf diese Weise haben wir die Stadt mal ganz anders kennengelernt über die Leute, die uns Asma vorgestellt hat. Dabei haben wir u.a. in Erfahrung gebracht, dass Thiruvanammail über 54 offizielle Ashrams zählt, wo sich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Amerikanern und Europäern emsig um ihr Seelenheil bemühen. Oder wie es Asma trocken ausdrückte auf meine Frage hin, was genau die Leute in einem Ashram eigentlich machen „I pray, You pay“ (Ich bete, Du zahlst.“)
Asma hat uns erstmal mit Weltliteratur versorgt. Eine Ausgabe der Mahabharata für Kinder und ihr neuestes Buch. Die Mahabharata ist ein gigantisches Epos, im Original 100.000 Doppelverse in Sanskrit (wie gesagt, wir hatten die Kinderversion auf knapp 300 Seiten). Mal ganz kurz gefasst vielleicht so zu beschreiben: Eine Mischung aus Nibelungenlied und Homers Kampf um Troja, liest sich zuweilen etwas wie das Telefonbuch, also sehr viele verschwippschwägerte Akteure nebst Brüdern, Schwestern, Frauen, Kindern, Enkeln und Urenkeln, diversen Göttern, Halbgöttern oder Inkarnationen, die sich durch Eitelkeit, Neid und Missgunst in einen Bruderkrieg verstricken, bei dem am Ende alles in Schutt und Asche liegt und wirklich jeder den Löffel abgegeben hat. Sehr fesselnd. Die Rezension zu Asmas Kurzgeschichtenband erscheint dann später hier in diesem Block….
Asma und eine ihrer ashramisierten Bekannten haben wir einen sehr schönen Ausflug zu verdanken zu zwei Sehenswürdigkeiten, die wir ohne sie niemals gefunden hätten. Irgendwo in der ländlichen Umgebung haben wir zunächst eine Art Bassin besucht, ich würde es mal mit einem (europäisch) antiken oder mittelalterlichen Badehaus vergleichen, die geschätzte Erbauungszeit zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert. Die Beschilderung war relativ spärlich, gab aber Auskunft, dass die umlaufenden Relieffriese allesamt Szenen aus der Mahabharata und der Ramayana zeigen (sollen) – also Weltliteratur bebildert. Das Ramayana, ein weiteres indisches Epos, haben wir noch nicht gelesen und das Mahabharata ja nur in der Kinderversion.
Was soll ich sagen? Uns muss da inhaltlich bisher etwas entgangen sein…. Ich weiß nicht, ob man es auf den Fotos erkennen kann, aber die Friese bestanden im Wesentlichen aus aneinandergereihten Schlüpfrigkeiten ;), erotische Szenen, wie es so schön im Erklärschild hieß, wobei auch nichts ausgelassen wurde von Männlein mit Weiblein, Weiblein mit Weiblein etc. und diverse Hunde, Pferde und Esel kamen in der Geschichte auch mit vor.
Danach waren wir bei einer Steinfigur, die zum nationalen Kulturerbe zählt und auf ca. 1.400 vor Christus datiert wird. Man weiß nicht mehr, was die Figur zu bedeuten hatte. Wie immer, wenn man in der Archäologie nicht weiter weiß, wird also ein kultisch-religiöser Zweck vermutet. Dafür spricht, dass es wohl ringsherum einen Steinkreis gegeben haben soll.
Thomas und ich hätten uns von der Geste der Figur her auch gut vorstellen können, dass es sich um eine Art Grenzstein handelt, also eine Wächterfigur, mit der man den ungeliebten Nachbarn gehörig Respekt einjagen wollte. Im Gegenzug hat Asmas amerikanische Freundin, ganz auf dem matriarchalen Trip, Stein und Bein geschworen, dass es sich um eine weibliche Gottheit grauer Vorzeit handelt. Nun gut, wir werden es nie erfahren.
Der immer noch verehrte Stein steht jedenfalls vollkommen abgelegen regelrecht in der Pampa zwischen Bananen- und Erdnussfeldern. Bei der Gelegenheit schoss Thomas dieses Pulitzer-Preis-verdächtige Bild.