Reisewäsche. Kochend heißes Wasser mit Kernseife, wird zwar nach 4 Wochen nicht mehr sauber, ist aber zuverlässig desinfiziert.
Ich ahne, warum die Leute hier knallbunte Klamotten in augenverwirrenden Mustern tragen. Hat eigentlich schon jemand die Theorie aufgestellt, daß der Niedergang des Ornaments in Deutschland ursächlich auf unsere Hygienebewegungen des frühen 20. Jahrhunderts zurück zu führen sein könnte? Mir scheint, die geblümte Kittelschürze ist der Stoff gewordene Beweis für diese Hypothese. Schließlich trägt man diese zum Putzen, also vermutlich auch nur, damit man nicht gleich jeden Fleck sieht.
Drei Getränke stehen bei dieser Reise besonders hoch im Kurs. Lemon Soda sweet and salty (Sprudel, Limettensaft, Zucker, Salz) ist das perfekte isotonische Getränk, wenn man sich wieder mal kaputt geschwitzt hat. Ich bin mir übrigens nicht einig, ob das Klima diesmal wirklich erträglicher ist oder nicht.
Cold Coffee, einfacher geht es eigentlich nicht: Kalter Kaffee, Vollmilch (die mir hier einen höheren Fettgehalt zu haben scheint), Eiswürfel und dann alles einmal durch den Mixer gejagt. In der indischen Version natürlich mit extra viel Zucker. Das schlägt jede Eiscreme und restauriert die Laune umgehend, wenn’s mal wieder anstrengend war.
Und Lassi geht natürlich immer. Wenn schon keine Mangosaison ist, tut’s auch Ananas….. Leider war es mir nicht möglich ein volles Glas Ananas-Lassi in freier Wildbahn zu fotografieren. Die verflüchtigen sich immer so schnell.
Verschwiegen habe ich an dieser Stelle die medizinischen Anwendungen, wie beispielsweise die altbekannten Kolonialbrause, diese Mischung aus Alkohol, Chinin und Wacholder, die gegen Malaria genauso gut hilft wie bei Magenverstimmung… Und gegen größere Verdauungsprobleme setzen wir auf Rum-Cola, präventiv wie kurativ.
Wir haben nun Halbzeit und in der Zwischenzeit 1.500 Kilometer mit dem ordinären Überlandbus zurück gelegt, einmal quer rüber von der Ost- zur Westküste. Zeit mal ein Loblied auf die indischen Busbetriebe zu singen.
Unsere indischen Bekanntschaften haben sich durchweg befleißigt, uns bequemere Reiseoptionen anzuempfehlen, wenigstens den A/C- oder Overnightbus, den Zug, vielleicht doch einen Fahrer. Aber wir fahren konsequent Bus, immer tagsüber mit dem was am Busbahnhof zu haben ist. Kein Vorbuchen, einfach reinspringen und los, Sightseeing inbegriffen, Fahrtwind statt Klimaanlage. Auf diese Weise reist man nahe an der tagtäglich Wirklichkeit mit den ganz normalen Leuten. Es sind alle sehr freundlich und überaus hilfsbereit. Im Bus sehen wir gelegentlich auch die Ladyboys (Aravani), die hier ein ritualisiertes Auftreten haben, um sehr bestimmt nach Geld zu fragen (sagen wir mal besser verlangen). Dann gibt man ihnen was und sie segnen einen mit einem kessen Zwinkern…
Südindien scheint ein einziges großes Infrastrukturprojekt. Überall wo wir langkommen werden Autobahnen durch die Landschaft gemetert. Und kleine Käffer, deren Hauptstraßen in 2019 noch Sandpisten waren, sind jetzt planiert und befestigt. Indien wächst, das ist kaum zu übersehen. Für deutsche Verhältnisse unvorstellbar sind die Straßenzüge halbierter, abgeschnittener Häuser, weil der Platz für die neue Straße gebraucht wird. Wo die Straßen schon fertig sind, kommen wir ungeahnt flott voran. Auf den Schotterpisten der „Baustellen in Betrieb“ umso langsamer. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit bleibt also mehr oder weniger gleich. Unsere indischen Freunde auf Zeit belustigen sich wohl etwas hinter unserem Rücken, dass wir uns das freiwillig antun.
Ob es im eigentlichen Sinne einen Fahrplan gibt, haben wir bis heute nicht rausgefunden mit Ausnahme von Bangalore. Allerdings gibt es dort 5 „Terminals“, jeder so groß wie ein Zentralbusbahnhof in einer kleineren Stadt und mit jeweils 16 Haltestellen – ein Abenteuer für sich. Manchmal haben wir Glück und es gibt englische Beschriftungen, aber in der Regel fragen wir uns durch. Mittlerweile haben wir auch begriffen, dass es eine Auskunft gibt auf nahezu jedem Busbahnhof. Man darf auch nicht denken, dass dabei viel auf Englisch liefe. Wir sprechen radebrechen die Ortsnamen aus, wo wir hin wollen und dann zeigt wer mit dem Finger auf den richtigen Bus. Klappt immer. Kaum ist man eingestiegen, geht’s auch schon los. Naja, fast los. Der Bus hält nämlich bis zum Ausgang des Busbahnhofs noch alle 5 Meter, weil irgendwer zusteigt, und dann nach dem Bahnhof, weil Leute wieder austeigen, die jetzt erst raffen, dass sie im falschen Bus sitzen…. Aber das System funktioniert auch andersherum. Man kann die Busfahrer nämlich auch bitten, irgendwo außerplanmäßig zu stoppen, damit man dort aussteigen kann. Unterwegs treffen wir einen Typen aus Delhi. Der hat sich maßlos aufgeregt über das südindische System der „frei wählbaren Haltestellen“, weil man im ländlichen Raum ggf. zwar im Expressbus sitzt, dieser am Ende aber doch an jeder Milchkanne hält.
Eines schönen Sonntags war der Bus vollgestopft mit fein rausgeputzten Großfamilien. Viele hatten wohl so eine Art Monatskarte oder ggf. auch einen staatlichen Freifahrtschein. Soweit habe ich es im Detail nicht durchblickt. Verstanden habe ich jedoch, dass diese Art von Fahrkarte nicht zulässig war für diesen „besseren“ Bus. Was auch immer diesen Bus als „besser“ ausgewiesen hat, wußte einzig die Schaffnerin, die nahezu jeden Fahrgast angemeckert hat, lamentierte, debattierte und unter viel Murren schlußendlich aufgab. Es musste also keiner aussteigen, sonst wär‘ der Bus auch leer gewesen.
Die verwegenste Version unseren Bus zu erreichen haben wir jedoch bereits am Anfang erlebt, auf dem Weg von Chennai nach Pondichery. Erst haben Thomas und ich dem armen Stefan ausgeredet, einen durchgehenden A/C-Bus vorzubuchen. Ist alles gaaarrrr keinnnnnn Problem! Wir lassen uns vom Tucktuck zur Central Bus Station fahren, da geht alle 15 Minuten ein Bus nach Pondi. Diese Rechnung hatten wir jedoch ohne die Tucktuck-Fahrer gemacht. Um an uns ein besseres Geschäft zu machen, beschwatzten uns die zwei Männer, uns zu einer anderen Haltestelle stadtauswärts zu fahren (kürzere Strecke), wo die Busse nach Pondichery auch halten würden. Pustekuchen. Als der Busfahrer unser riesen Gepäck gesehen hat, ist er einfach schnell weitergefahren. Die zwei Tucktuck-Fahrer haben sich zunächst in einer halsbrecherischen aber aussichtlosen Verfolgungsjagt mit dem Bus versucht. Irgendwo haben die zwei dann doch einen haltenden Bus abgegriffen, der nach Pondi ging und sich rotzfrech vor den Bus geparkt. Diesmal hatte der Busfahrer keine Chance zu entkommen! Alles Gepäck umständlichst verladen und los. Na bitte, geht doch!
Hampi ist natürlich das diametrale Gegenstück zu Chitradurga. Der ultimative Touristen-Hot-Spot, völlig überlaufen, inklusive all der Nebeneffekte, die dies so mit sich bringt: Noch mehr Müll, Leute die betteln und Händler, die mit allerlei Tünnef versuchen, sich einen Lebensunterhalt zu schaffen. Die Tuck-Tuck-Fahrer-Gilde (hier sagt man ja Auto dazu) ist auch recht straff organisiert. Überall die gleichen Preise und Angebote: Tagestour mit einem Fahrer, Start am „best of the world sunrise-place“ (ich will nicht wissen, wie viele Menschen sich da früh um 7 Uhr zusammendrängeln) und jeder will einem seine Whatsapp-Nummer aufschwatzen. Nee, das lassen wir bleiben.
Aber ich kann´s auch verstehen. Hampi muss man echt gesehen haben. 26 Quadratkilometer Ruinenstadt, Unsesco Weltkulturerbe versteht sich, das kann ja kein Geheimtipp sein ;). Angeblich haben wir dabei noch Glück, denn es ist bereits Ende der Saison, also leerer als noch vor wenigen Tagen (schwer vorstellbar).
Unsere Bleibe im zweiten Stock, linkerhand Immobilie auf dem NachbargrundstückImmobilie auf dem Nachbargrundstück
Wir loggieren in einem Örtchen vor Hampi zwischen dem Hampi-Café und dem Happy-Hampi-Café. Das Happi Hampi Café ist der hippe Inntreff schlechthin. Ablümmeln in der Bambusloggia. Da treffen sich Russen, Briten, Italiener, Coreaner, Volk aus der ganzen Welt, und wir natürlich.
Happy Hampi Café
Für Hampi haben wir offensichtlich nicht genug Zeit eingeplant, nur 2 Übernachtungen. Abends beginnen wir schon mal mit dem Tempel, bei Sonnenuntergang, wenn die ganzen Inder dort hingehen und mit Glöckchengebimmel und Geheimzutaten ihre Rituale abhalten.
Am ersten Abend in unserer Unterkunft befasse ich mich nun doch etwas ausführlicher mit dem digitalen Ticketsystem der Altertumsbehörde… Es hat ja echt keinen Zweck, wenn wir nirgends reinkommen wegen Totalverweigerung des digiatlen „Fortschritts“. Wohl ist mir bei der Webseite allerdings nicht. Die wollen aus meiner Sicht vielzuviel wissen und ich habe nur die Chance, der Speicherung meiner Daten inklusive Kreditkarte zuzustimmen. Immerhin, man kann angeblich mit Kredit- oder Debitkarte zahlen. Tatsächlich funktioniert aber keine unserer Karten (dabei können wir schon ein ganzes Kartenspiel damit aufmachen): Identitätsprüfung abgelehnt. Das ganze System ist ohnehin völlig sinnlos, weil man notwendigerweise eine indische Telefonnummer braucht (wir haben immerhin eine) und ohne diese als Ausländer gar nicht weiter kommt. Das können die jetzt doch nicht ernsthaft bringen, oder? Ich meine, die Antikenbehörde schickt doch nicht jeden Tag 5.000 Ausländer unverrichteter Dinge wieder „nach Hause“?? Neben uns logiert ein indisches Päärchen aus Delhi. Wir fragen. Oh Gott ja, sagen die gleich, die Ticketwebseite der Altertumsbehörde ist eine maximale Katastrophe. Sie hätten es zwar geschafft zu zahlen, das digitale Ticket ist jedoch nie eingetroffen und eine Beschwerdefunktion gibt´s wohl auch nicht. Na sieh an, da habe ich die Einlasswärter in Chitradurga ja praktisch betrachtet gar nicht angeschwindelt…. Aber, bringen wir nun in Erfahrung, es gibt einen stinknormalen Ticketschalter und das meiste ist ohnehin Eintritt frei.
Um 7 Uhr fallen wir aus dem Bett und gradewegs auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Kaffestand ein. Frühstück, haben wir beschlossen, wird verschoben. Zum Glück kommt ohne weitere Bemühungen ein Tucktuckfahrer vorbei, dem wir noch ´nen Tee spendieren, dann lassen wir uns zur ersten Anlage fahren. Um die Uhrzeit ist es noch angenehm kühl und vollkommen leer. Super!
Am Rande ergibt sich wieder eine witzige Anekdote. Die amtierende Gattin des letzten Maharajas spricht Thomas an, ob er ihr wohl assitieren würde, ein Selfi-Video in historischer Kulisse zu drehen. Dann gibt sie umfassende Regieanweisungen. Sinngemaß: „Ich erscheine also hier elfenhaft die Treppe emporschwebend, die Kamera folgt mir nach links, gekonnte szenografische Drehung, ich wandele graziös zurück, Schwenk um die Ecke herum, wie ich leichtfüßig den Säulengang einmal hin und zurück tänzel. Und hier vorne dann Cut!“. Alles in Slowmotion selbstredend und den Bollywood-Soundtrack liefert sie summend auch gleich mit. Darauf Thomas: „Das wird ja ein ganzer Kinofilm, meine Dame!“ – Her Majesty: „Das versteht sich doch bitte von selbst, my Dear!“ Leider war ich nicht blickig genug und habe nur noch den Abspann mitgedreht.
Bis um 11 machen wir das, was wir eben schaffen, danach verstecken wir uns wegen Hitze in unserer Unterkunft. Am späteren Nachmittag gehen wir noch etwas rumbummeln… Ich vermute es sind schon eine Million Fotos von Hampi gemacht worden und trotzdem kann man sich keine Vorstellungen von den Ausmaßen der Anlage machen. Nichts desto trotz füge ich nun auch ein paar weitere Fotos und Videoschnipsel hinzu.
Sind wir am Vortag noch voller Tatandrang, was wir am kommenden Vormittag vor Weiterreise unbedingt alles angucken wollen, ist am nächsten Morgen der Elan verflogen. Wir zischen ab, einfach zu heiß hier, schon um 8 nicht mehr auszuhalten. Glück im Unglück, die kommenden 125 Kilometer bis Hubali dauern ewig und im Rückblick sind wir froh, zeitig genug losgekuscht zu sein. Hubali ist dann keiner weiteren Erwähnung wert, außer, dass wir mal wieder eine Nacht in einem richtig bequemen Hotel verbracht haben. Eingedreckt wie die Landstreicher treffen wir dort gegen 17 Uhr in der schnieken Lobby ein. Duschen, Waschen, Essen, Bett.
Kultur ist schön, aber manchmal macht sie einen auch fix und foxi.
Unser Weg nach Hampi führt uns über Chitradurga, eine sympathische Kleinstadt im Bundesstaat Karnataka und nach Bangalore die reinste Erholung. Unser Hotel sieht auf den Fotos proper aus, seine goldenen Zeiten liegen jedoch schon länger zurück. Etwas hatte mit der Online-Reservierung nicht geklappt, zum Glück wie sich herausstellt. Die zwei netten älteren Herren am Empfang lachen sich kaputt, dass wir allen Ernstes über 1.600 Rupien bezahlt hätten…..
Raum ohne A/C 1.300 Rupien, Pi mal Daumen 13 €, und Warmwasser von 6 bis 9 am Morgen. Alles etwas schrottig aber die Leute sind umso herziger und wir sind mitten im Zentrum. Nachts reißen wir die Fenster auf, damit der Straßenkrach den Lärm des Ventilators übertönt.
Der Ort ist quirlig und strotzt vor Läden nach dem traditionellen Prinzip: eine Straße nur Fleischer, eine Straße nur Schuhverkäufer, nur Küchengeräte, nur Tuchhändler, nur Schneider, nur Saris und so weiter. Alles hat so einen fast schon arabisch anmuten Touch von orientalisch.
Am ersten Tag wundere ich mich kurz, dass die Leute so rabiat mit den armen Kälbchen umspringen, da bemerke ich, dass dies selbst für indische Verhältnisse sagenhaft kleine Kühe sind. Von Zwergkühen hatte ich bisher nie was gehört. Am Abend kommen wir u.a. am Kulturhaus vorbei. Dort wird volles Programm geboten. An zwei Tischen sind wichtige Honoratioren aufgereiht, auf der Bühne wird gesungen und getanzt, eine Dame trägt sehr ausführliche und ernsthafte Ansagen vor. Das Publikum hat sich ganz fein rausgeputzt.
Wir hatten uns Chitradurga als Zwischenstopp ausgeguckt, da hier die Ruinen eines alten Forts zu besichtigen sind, ein riesen Gelände über eine Felslandschaft geworfen. Ich hatte erwartet, dass der Ort einigermaßen touristisch ist, also auch mit einer gewissen Zahl Europäern gerechnet, aber nein, wir sind scheinbar die einzigen Bleichgesichter am Ort. Gibt’s doch gar nicht. Irgendwie muss Chitradurga im Schatten von Hampi und Bellari vergessen worden sein. Jetzt avancieren wir gleich wieder zur kleinen Attraktion: Selfie hier, Selfie da, mit und ohne Kindern, wo kommt ihr denn her? und so fort. Ein älterer Herr ist sichtlich mit Stolz erfüllt, dass wir das bedeutende alte Fort besuchen wollen.
Und so pellen wir uns früh um 7 Uhr aus dem Bett, schnelles Frühstück, jeder 3 quietschsüße indische Milchkaffee, die genauso winzig ausfallen, wie die Kühe. Mit soviel Zucker im Blut muß man auch nichts mehr essen. Es ist noch nicht mal 8 Uhr, da stehen wir vorm Einlass am Fuße des Berges. Zunächst hocherfreut stellen wir fest, mein Gott, wir sind wohl die ersten Besucher des Tages. Aber umgehend sinkt die Laune auch schon in den Keller…
Die für Antike Kulturgüter zuständige Behörde des indischen Kulturministeriums hat sich ausgedacht, nur noch auf digitale Tickets umzustellen. Erst macht man sich datentechnisch nackig, stimmt natürlich der Speicherung aller Daten zu ohne weitere Widerspruchsrechte und hat dann im Prinzip nur die Chance online mit Kreditkarte, Google- oder Amazonpay zu zahlen. Unsere erste diesbezügliche Bekanntschaft machten wir vor dem Sommer Palast des Sultans Tipu in Bangalore, wo wir unter Murren und Maulen abgezogen sind. Man muss soviele Daten inklusive Reisepassnummer in das System füttern, das mache ich bestimmt nicht an einer belebten Hauptverkehrsachse irgendwo in Bangalore (Hochburg der IT Branche und bestimmt auch gewiefter Hacker) – und auf gar keinen Fall unterstütze ich Goggle- oder Amazonpay. Das ist mir zuviel schöne neue Welt. Ich hatte schon die Tage davor bemerkt, dass sich Indien aus meiner Sicht bedenklich weit in die Fänge von Googlepay begeben hat. Nicht auszudenken, Google käme mal für 3 Tage auf die Idee, den Dienst abzuschalten. Dann ist hier Revolution. Aber zurück zum Kulturprogramm…
Am Eingang verweigert man uns also auch jegliche Bargeldannahme. Unter diesen Umständen können wir die ganze Reise ja gleich abbrechen…. Aber das ist keine Option. Dann versuche ich das Problem vor meinem derzeitigen deutsch-indischen Erfahrungshintergrund zu lösen. Zunächst einmal lüge ich und behaupte, das System würde nicht funktionieren (dabei habe ich es erst gar nicht versucht). Dann bleibe ich einfach penetrant vor dem Eingang stehen (Von den Einheimischen habe ich gelernt: Einfach nicht abwimmeln lassen bis wer hilft). Wir warten. Eine sehr große indische Reisegruppe erscheint. Offenbar haben die Leute auch Probleme mit dem System. Irgendwann sammelt einer aus der Truppe Geld ein. Ich frage gleich mal nach, ob derjenige uns nicht auch ein Ticket kaufen kann und wir geben ihm das Eintrittsgeld bar cash. Dieser simple Lösungsansatz scheitert jedoch an der Sprachbarriere und auch daran, dass die Inder nur 25 Rupien pro Kopf zahlen, wir als Ausländer aber 300. Die Einlasser bemühen sich langsam um uns. Zunächst wird uns ein Telefon hingehalten. Die Person am anderen Ende spricht Englisch, schon mal gut. Den Inhalt des Telefonats verstehe ich jedoch nicht, nur soviel , irgendwer kommt, wir sollen warten… Nach und nach bemühen sich alle 4 Einlasser uns über ihr Smartphone in das Ticketsystem einzutragen, aber es gibt irgendwie Probleme…. Am Ende bittet man uns erst auf die andere Seite der Eingangstür (Fortschritt, schon mal irgendwie drinnen)… und nach weiteren 5 Minuten teilt man uns gestisch mit, bitte, wir sollen einfach reingehen und uns alles anschauen. Wir drücken den Leuten die 600 Rupien Eintritt in die Hand. Irgendwas ist den Einlassern dabei sichtlich unangenehm. Daraus schließe ich, die hätten uns einfach so reingelassen, nur um das Problem los zu sein, weil wohl niemand in der Lage war, für uns ein Ticket zu buchen….
Wir machen uns also einen schönen Vormittag mit Kulturprogramm.
Die Ruinen des Forts sind schon echt eine Hausnummer. Ein riesen Gelände, alles immer schön Berg auf natürlich…. und ohje, wir haben das Wasser vergessen. Da uns das Einlassszenario auch fast eine Stunde gekostet hat, wird es leider schnell bedenklich heiß, so dass wir am Ende nur einen Bruchteil ablaufen.
Als wir uns auf den Rückweg machen, füllt sich die Anlage langsam mit indischen Touristen. Fast wieder unten angekommen entdecken wir einen rettenden Mini-Kiosk, der Wasser verkauft. Aber dann haben wir auch keine Lust mehr, den Weg wieder bergauf zu kraxeln. Da ergibt sich noch eine putzige Anekdote.
Zwei Burschies um die 30 haben gerade erst ihre ersten paar 100 m bergauf zurück gelegt, sehen aber schon verdammt geschafft aus. Wir rufen ihnen zu, dass hier ein unscheinbarer Kiosk Wasser verkauft. Die Hipster sind erleichtert, aber oh nein, der Kiosk kennt kein Googlepay. Nur Bares ist Wahres. Wir bieten an mit 20 Rupien auszuhelfen. 😂
Als wir wieder fast am Haupteingang zurück sind, kommt uns freudestrahlend einer der Einlasser entgegen. Er hat es geschafft und präsentiert uns auf seinem Phone unsere Online-Tickets. Doll! Anerkennend machen wir noch schnell ein Foto (was wir jetzt gar nicht mehr brauchen) und verlassen allen herzlich dankend das Gelände.
Wenn man das Internet auswertet kommt bestimmt gleich nach Mietzekatzen und Sex Food-blogging. Ich weiß nicht wie viele Menschen in der Welt rumfahren und uns über das Streetfood der entlegensten Orte aufklären. Und jedesmal gibt es grandiose Beschreibungen über unbekannte Gewürze, Geschmackssensationen, Superfoods, alles in den schönsten Bildern, gespickt mit ein paar Funfakts und exklusiven Geheimtipps an 1 Million Follower….. Und man selbst sitzt zu Hause und einem läuft das Wasser im Munde zusammen.
Es ist fast eine Manie geworden. Man kann ja quasi gar nicht mehr ausgehen ohne das irgendwer in der Runde das Phone zückt und ein Foto vom Essen irgendwohin postet oder an Leute schickt, die gerade nicht dabei sind. Ich habe mich immer gefragt, was genau will man damit eigentlich mitteilen? „Ich möchte mein Essen mit Dir teilen “ oder „Selbst schuld, du Looser, heute hast du wieder was verpasst“?
Ich möchte diesem Trend heute entschieden entgegen treten mit der ungeschminkten Realität.
Gurkensalat indisch, aktuell mein bester Freund. Wie sich die Karotten auf den Teller verirrt haben, bleibt das Geheimnis des Küchengehilfen. Das Ensemble ist übrigens genauso ungewürzt wie es aussieht.
Bei dem Versuch für Thomas Idli mit Zucker zu bestellen kam es zu einem folgenschweren Missverständnis und ich bekam das zum Frühstück. Ich habe keine Ahnung, wie es heißt. Die Konsistenz ähnelt mit Wasser gekochtem Grießbrei. Es hat auf jeden Fall eine eigene Geschmacksnote, die außerhalb meiner Beschreibungsfähigkeiten liegt. Es scheint Ingwer im Spiel zu sein, in erster Linie ist es jedoch elendig süß. Ich habe die Rosinen und Mandeln rausgepickt und dann bitte nie wieder dieses Zeugs.
Es ist natürlich ein echtes Elend, dass ich weder Melonen, Litchies noch Papayas esse, denn die Obststände quellen davon über, vor allem von Melonen in allen Formen und Farben. Mangos haben auch diesmal keine Saison. Also probiere ich mich mit dem mir unbekannten Obst durch, hier Guave und Drachenfrucht. Der Guave geb‘ ich noch eine zweite Chance, wenn es diese in reif gibt. Drachenfrucht kann man essen, steigt aber nicht zu meiner Lieblingsfrucht auf. Ich würde sagen, vor allem dekorativ anzusehen.
… und für alle, die uns jetzt bedauern, keine Sorge, wir verhungern nicht. Aber oft sehen die wirklich leckeren Sachen so unspektakulär aus, dass es sich auch nicht lohnt, ein Foto davon zu schießen.
Ich weiß nicht, ob man überhaupt davon sprechen kann, den ganzen Reiseplan über den Haufen geworfen zu haben, wenn man erst gar keinen hatte. Asma hat jedenfalls empfohlen nach Hampi zu fahren, was in etwa 180 Grad entgegengesetzt zu unseren ersten Ideen liegt. Gesagt, getan. Dann kam so ein Baustein zum anderen, u.a. dass Hampi doch recht weit entfernt ist von Tiruvannamalai und Zwischenstopps erfordert, zumindest, wenn man wie wir mit dem ordinären öffentlichen Bus fährt. Somit war es unvermeidbar, in Bangalore Halt zu machen. Das Beste an Bangalore war unser Hotel. Danke Asma! Du hattest vollkommen recht: Rund um die Uhr den Zimmerservice in Anspruch nehmen und einfach nicht rausgehen. Das Highlight unseres aufsehenerregenden Kulturprogramms war Metro fahren. Am Rest sind wir gescheitert.
Fazit: Bangalore kann man machen, muss man aber nicht.
(Ps: Und wenn ich demnächst wieder Nerven habe, beschreibe ich das Ausmaß unseres Scheiterns)
Die letzte Woche haben wir eine sehr entspannte Zeit mit Asma Menon genossen. Asma, 2019 im Austausch für Stefan Schwarzer und mich in Halle, ist auch Künstlerin, tanzt auf jeder Hochzeit und kennt gefühlte 100.000 Leute aller Art. Um nicht zu sagen, sie hat das unabdingbare Etwas, was man zur perfekten indischen Diva benötigt. Junge Männer, vom Kellner bis zum Juniormanager, die sich in ihrer Nähe dusselig anstellen, lässt sie wortreich und pointiert stramm stehen. Kurz: Man kann mit Asma wirklich ausgelassen Spaß haben.
Künstlergrundstücke sehen weltweit irgendwie gleich aus
Zusammen mit „Mona, Darling“ wohnt Asma etwas auswärts von Tiruvannamalai.
Blick aus unserem Zimmer mit „Mona, Darling“
Auf diese Weise haben wir die Stadt mal ganz anders kennengelernt über die Leute, die uns Asma vorgestellt hat. Dabei haben wir u.a. in Erfahrung gebracht, dass Thiruvanammail über 54 offizielle Ashrams zählt, wo sich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Amerikanern und Europäern emsig um ihr Seelenheil bemühen. Oder wie es Asma trocken ausdrückte auf meine Frage hin, was genau die Leute in einem Ashram eigentlich machen „I pray, You pay“ (Ich bete, Du zahlst.“)
Asma hat uns erstmal mit Weltliteratur versorgt. Eine Ausgabe der Mahabharata für Kinder und ihr neuestes Buch. Die Mahabharata ist ein gigantisches Epos, im Original 100.000 Doppelverse in Sanskrit (wie gesagt, wir hatten die Kinderversion auf knapp 300 Seiten). Mal ganz kurz gefasst vielleicht so zu beschreiben: Eine Mischung aus Nibelungenlied und Homers Kampf um Troja, liest sich zuweilen etwas wie das Telefonbuch, also sehr viele verschwippschwägerte Akteure nebst Brüdern, Schwestern, Frauen, Kindern, Enkeln und Urenkeln, diversen Göttern, Halbgöttern oder Inkarnationen, die sich durch Eitelkeit, Neid und Missgunst in einen Bruderkrieg verstricken, bei dem am Ende alles in Schutt und Asche liegt und wirklich jeder den Löffel abgegeben hat. Sehr fesselnd. Die Rezension zu Asmas Kurzgeschichtenband erscheint dann später hier in diesem Block….
Asma und eine ihrer ashramisierten Bekannten haben wir einen sehr schönen Ausflug zu verdanken zu zwei Sehenswürdigkeiten, die wir ohne sie niemals gefunden hätten. Irgendwo in der ländlichen Umgebung haben wir zunächst eine Art Bassin besucht, ich würde es mal mit einem (europäisch) antiken oder mittelalterlichen Badehaus vergleichen, die geschätzte Erbauungszeit zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert. Die Beschilderung war relativ spärlich, gab aber Auskunft, dass die umlaufenden Relieffriese allesamt Szenen aus der Mahabharata und der Ramayana zeigen (sollen) – also Weltliteratur bebildert. Das Ramayana, ein weiteres indisches Epos, haben wir noch nicht gelesen und das Mahabharata ja nur in der Kinderversion.
Was soll ich sagen? Uns muss da inhaltlich bisher etwas entgangen sein…. Ich weiß nicht, ob man es auf den Fotos erkennen kann, aber die Friese bestanden im Wesentlichen aus aneinandergereihten Schlüpfrigkeiten ;), erotische Szenen, wie es so schön im Erklärschild hieß, wobei auch nichts ausgelassen wurde von Männlein mit Weiblein, Weiblein mit Weiblein etc. und diverse Hunde, Pferde und Esel kamen in der Geschichte auch mit vor.
Danach waren wir bei einer Steinfigur, die zum nationalen Kulturerbe zählt und auf ca. 1.400 vor Christus datiert wird. Man weiß nicht mehr, was die Figur zu bedeuten hatte. Wie immer, wenn man in der Archäologie nicht weiter weiß, wird also ein kultisch-religiöser Zweck vermutet. Dafür spricht, dass es wohl ringsherum einen Steinkreis gegeben haben soll.
Thomas und ich hätten uns von der Geste der Figur her auch gut vorstellen können, dass es sich um eine Art Grenzstein handelt, also eine Wächterfigur, mit der man den ungeliebten Nachbarn gehörig Respekt einjagen wollte. Im Gegenzug hat Asmas amerikanische Freundin, ganz auf dem matriarchalen Trip, Stein und Bein geschworen, dass es sich um eine weibliche Gottheit grauer Vorzeit handelt. Nun gut, wir werden es nie erfahren.
Der immer noch verehrte Stein steht jedenfalls vollkommen abgelegen regelrecht in der Pampa zwischen Bananen- und Erdnussfeldern. Bei der Gelegenheit schoss Thomas dieses Pulitzer-Preis-verdächtige Bild.
Der klassische Caféhausgänger richtet sich eigentlich überall in der Welt heimisch ein, indem er, sie, es erstmal ein Stammkaffee etabliert. Die tägliche Routine muss aufrecht erhalten werden. In Tharangambadi gibt es einen (für uns) neuen Kaffeestand und schnell gehören wir zum Inventar. Nach zwei Tagen geht schon alles wortlos. Freundliche Grüße, 1 Kaffee mit, 1 Kaffee ohne Zucker, zwei „Quarkbällchen“ ( heißt hier anders, schmeckt aber original wie Quarkbällchen). Der Gehilfe vom Besitzer kriegt im Austausch ne Kippe….. Von hier aus kann man super Fernsehen. Jeden morgen gegen 9.00 und nachmittags gehen 16.00 Uhr ist Rushhour.